Dieter's Klavierseiten

Datenarchiv des Klavierbaus

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Zierold … Pianofabriken in Leipzig

Zierold & Co., 1876 – 1886
Zierold, Carl Gustav, 1882 – 1910

Zwei Firmen, – über deren eigenartige Verknüpfung erfahren wir am Ende des Artikels.

„Die Firma Zierold & Co. wird 1876 von Gustav Zierold, J. C. Baatz, Schellenberg und P. C. H. Stahl gegründet“. (2)

„Zierold & Comp. empfehlen ihr anerkannt gutes Fabrikat von Flügel (kreuzsaitig) u. Pianino (gradsaitig), welche sich durch schöne Klangfarbe, Tonlänge und gefällige Spielart besonders auszeichnen. Ganz besonders empfehlen unsre neu construirten kleinen kreuzsaitigen Cabinetflügel, welche trotz ihrer Kürze (1,74 Mtr.) einen schönen und grossen Ton erzeugen. – Neue Zeitschrift für Musik, 1879“ (1)

Zierold
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Das Carillon – Die Geschichte des Carillons begann im 17. Jahrhundert, ist weniger im Klavierbau bekannt. Die Leipziger Pianofabrik Zierold beschäftigte sich aber damit und baute ein Orchester-Carillon:

Zierold
„Im Jahre 1876 wurde von der Leipziger Pianoforte Fabrik Zierold & Co. ein Orchester-Carillon gebaut, welches seit Februar 1877 im Stadttheater zu Leipzig bei Aufführungen der Zauberflöte benutzt wird, und sich erfolgreich bewährt hat. Dieses Glockenspiel bewirkt Hammerschlag an die Stahlplatten genau in der Weise, wie dies beim Pianoforte an die Saiten geschieht. Um die Claviatur nicht über die übliche Grösse hinaus zu erweitern, liegen die Stahlplatten in zwei Parthien übereinander. Das Zierold’- sche Carillon besitzt vollständig ausgebildete Flügel-Mechanik mit exacter Auslösung und Repetition. Ferner besitzt es eine Dämpfung und Pedal-Fortezug dazu. Das Instrument hat einen Umfang von drei Octaven von c’—c““. Das in Rede stehende Exemplar ruht auf Füssen und hat dieselbe Spielhöhe wie ein Pianoforte, dem es auch sonst in der äusseren Form ähnelt, ein anderes Exemplar welches soeben für ein auswärtiges Theater in der Leipziger Fabrik gebaut wird, erhält die äussere Gestaltung eines Harmonium“. (3)

Zierold

Zur Ausstellung in Halle 1881 war von Firma Zierold & Co ein Orchestercarillon ausgestellt.

Zierold

„Die Pianoforte-Fabrik von Zierold & Co. in Leipzig hatte … dem Herausgeber des Blattes Gelegenheit geboten, einen grossen Concertflügel eigener Fabrikation in Augenschein zu nehmen und zu prüfen. Die Arbeit zeugt durch exacte Sauberkeit für sorgfältig gewahrte Solidität, die Spielart ist ausgeglichen, die Klangfülle bedeutend bei angenehmem Tontimbre. Die strebsame Firma hat nach den achtungswerthen Ergebnissen, welche sie mit dem Bau von Pianinos und Stutz- und Salon-Flügeln erzielte, auch mit dem grossen Format ein befriedigendes Resultat erzielt“. (3)

Karl Gustav Zierold in Leipzig erhielt auf eine Neuerung in der Herstellung doppelter Resonanzböden für Pianofortes Ende Januar 1882 die Patentschrift No. 20642. (fast 15 Jahre später gab der Erfinder Dr. Johannes Moser in Berlin sein Patent über Doppel-Resonanzboden heraus).

„Gegenüber den bisher an Klavieren angeordneten Resonanzböden hat die in Rede stehende Anordnung Neuerungen aufzuweisen, welche dem damit versehenen Instrument eine ganz eigenartige Klangfarbe verleihen soll, die an Weichheit, Fülle und Tragfähigkeit andere Instrumente übertrifft. Um angedeuteten Zweck zu erzielen, ist statt des gewöhnlichen Resonanzbodens ein Resonanzkasten benutzt. Derselbe besteht aus gewölbten Böden und einer ringsherum laufenden Wand, welche diese Böden verbindet. Ersterer Boden bietet eine ununterbrochene Fläche, wohingegen der zweite Boden nicht nur die Stege trägt, sondern ausserdem die Schallvertheilungslöcher aufweist. Wegen der eigenartigen Wölbung der Böden wird je nach der Tonlage der Saiten die Entfernung der Böden verschieden sein.
Den verschiedenen Schwingungszahlen der Saiten soll durch die Anordnung der Stege Rechnung getragen werden, die sich von der Basslage nach dem Discant hin verjüngen. Durch die besondere Form und Construction des Resonanzkastens, welche der Saitenlänge und Saitenlage entspricht, soll es möglich werden, bei verhältnismässig sehr kleinen Dimensionen eine ausserordentliche Klangfülle, ganz besondere Klangfarbe, sowie eine bedeutende Tragfähigkeit des Tones zu erzielen.

Patent-Anspruch:
Die Anbringung eines Resonanzkastens an Klavieren, dessen Eigentümlichkeit in der Anordnung zweier eigenartig gewölbter, mittelst Wand verbundener Böden besteht, wovon letzterer mit Schallvertheilungsöffnungen und den sich von der Basslage zum Discant verjüngenden Stegen versehen ist“. (3)

Zierold

Ende 1882 brachte Gustav Zierold im Nov. 1882 mit dem Klavierbauer Alfred Biese aus Berlin ein weiteres Patent (DRP 22845) heraus: „Patent-Anspruch:
An Flügelmechaniken die Anordnung der Regalirschraube in der Hammernuß in Verbindung mit der an letzterer befestigten Repetitionsfeder, welche sich mit einem Klötzchen auf einen Vorsprung des Stößers auflegt“. (2)

Die beiden Tüftler G. Zierold und Alfred Biese brachten Juli 1883 ein weiteres Patent (No. 26659) zur Befestigung von Resonanzböden bei Pianofortes:
„Patent-Anspruch:
Zur Erzielung einer ungehinderten Fortpflanzung der Schallwellen, sowie der freien, vom Temperaturwechsel unbeeinflußten Lage des Resonanzbodens die Befestigung desselben mittelst der durch eingelegte Federn elastisch wirkenden Schrauben und der Schiene an dem Eisenrahmen“. (3)

„Aus der Firma Gustav Zierold, Pianobauanstalt in Leipzig ist 1907 Herr Karl Gustav Zierold ausgeschieden. Der Instrumentenmacher Gustav Max Zierold (sein Sohn) ist jetzt Inhaber“. (3)

Zierold

Trotz des Firmenendes 1910 wurde 1926 an den 90-sten Geburtstag von Gustav Zierold mit einem Rückblick auf sein Leben gedacht:„Ein Veteran des deutschen Klavierbaues, der privatisierende Pianofortefabrikant Herr Gustav Zierold in Knautkleeberg b. Leipzig, den die älteren Leipziger Fachgenossen als tüchtigen und verdienstvollen Fachmann noch in bester Erinnerung haben werden, vollendet am 1. Dezember 1926 sein 90. Lebensjahr. Körperlich und geistig frisch kann der alte Herr, in dem sich ein Stück Geschichte des Leipziger Klavierbaues verkörpert und der nach Aufgabe seiner Pianofortefabrik seinen Lebensabend in dem nahen Knautkleeberg verbringt, sich nicht von der Hobelbank trennen und beschäftigt sich als Neunzigjähriger jetzt noch erfolgreich mit dem Baue von Geigen.

Gustav Zierold wurde am 1. Dezember 1836 in Schliem bei Herzberg als Sohn eines Gärtners geboren. Not und Sorge standen an seiner Wiege, aber schon frühzeitig zeigte er große Liebe zur Musik, und als er zur Schule kam, ließ er sich, trotz des Verbotes der Eltern, von seinem Lehrer heimlich in den Anfangsgründen des Geigenspiels unterrichten. … Nach vollendeter Schulzeit nahm ihn seine ältere Schwester mit nach Hamburg und brachte ihn dort zu einem Tischlermeister in die Lehre. Schon hier fand er Gelegenheit, sich mit dem Klavierbau vertraut zu machen, denn sein Meister hatte nach dem großen Hamburger Brande von 1842 Reste von Klavieren gekauft, die er in seiner Werkstatt wieder herrichtete.

Zierold
(4)

Als die Lehrzeit beendet war, ging der junge Geselle auf die Wanderschaft, die ihn schließlich nach Leipzig führte, wo er in der damals hochangesehenen Klavierfabrik von Breitkopf & Härtel zuerst als Bodenmacher arbeitete und dann das Zusammensetzen erlernte. Später war er bei Wanckel & Temmler, darauf in der Fabrik von Ernst Irmler (einem Bruder von J. G. Irmler) als Klavierbauer tätig, und zwar besonders im Flügelbau, der Zierolds Spezialität wurde.

Von Irmler kam Zierold zu Julius Blüthner, der ihn als tüchtigen Klaviermacher zu schätzen wußte. In der Blüthner’schen Fabrik, wo er längere Zeit als Ausarbeiter und Intoneur tätig war, wurde er mit drei Kollegen, Stahl, Baatz und Schellenberg, bekannt. Diese wußten Zierold zu überreden, sich mit ihnen im Jahre 1876 selbständig zu machen und unter der Firma Zierold & Co. in der Elsterstraße die Klavierfabrikation zu beginnen. Aber das Gesellschafts-Unternehmen, das ganz ohne Geldmittel unternommen war und unter geschäftlichen Nöten zu leiden hatte, konnte ihm auf die Dauer nicht zusagen; er trat daher wieder aus und nahm als Meister eine Stelle in Berlin an. Als ihm ein günstigeres Angebot gemacht wurde, trat er in eine Braunschweiger Klavierfabrik als Meister ein. Es ging ihm aber hier nicht nach Wunsch, und so kehrte er wieder nach Leipzig zurück und gründete in der Roßstraße unter der Firma Gustav Zierold eine Flügel- und Pianino-Fabrik.

Zierold
(4)

Die Instrumente von Gustav Zierold, vor allem seine Flügel – auf deren Bau er sich mit doppeltem Eifer legte, nachdem sich mehrere von ihm gemachte Erfindungen am Piano als zu kostspielig für die Fabrikation erwiesen hatten – erfreuten sich ob ihrer vorzüglichen Bauart großer Beliebtheit. Zierold’s Flügel gingen viel nach England, Mexiko und den Ländern des Roten Meeres, auch vom Rate der Stadt Leipzig wurden einige angekauft. Vor allem aber hat Zierold das große Verdienst, in seiner Fabrik eine stattliche Zahl tüchtiger Klaviermacher herangebildet zu haben, von denen sich wohl noch mancher dankbar seines alten Lehrmeisters erinnern wird. Als ihm nach 40-jähriger Ehe seine treue Lebensgefährtin durch den Tod entrissen wurde, verlor er alle Freude am Klavierbau und zog sich ganz vom Geschäft zurück. … Sein Sohn Max, der das väterliche Geschäft in den letzten Jahren geleitet hatte, führte die Fabrik noch einige Zeit weiter, löste aber infolge widerlicher Umstände und größerer Geschäftsverluste das Unternehmen um 1910 gänzlich auf. Der Krieg und die darauf folgende Inflationszeit brachten Gustav Zierold um sein Vermögen und machten ihn zum armen Manne. Die einzige Freude, die der greise Fachgenosse noch hat, sind seine zahlreichen Kinder und – seine Hobelbank, an der er jetzt Geigen baut. Möge dem neunzigjährigen Senior des deutschen Klavierbaues, der jetzt, umgeben von der Liebe seiner Kinder, von einem arbeitsreichen Leben ausruht, noch lange die geistige und körperliche Frische erhalten bleiben, wie seither. Möge ihm ein glücklicher Lebensabend beschieden sein“. (3)

Quellen:

(1) Lieveverbeeck
(2) H. Henkel
(3) Zeitschrift für Instrumentenbau
(4) Bildrechte bei John van Meedfoort