Westermayer, Ed.

Pianofabrik in Berlin, 1863 – 1941

Die seit 1863 bestehende Pianoforte-Fabrik Eduard Westermayer beschäftigte 1866 zehn Arbeiter mit einer jährlichen Produktion von ca. 50 Pianos und exportierte hauptsächlich nach Südamerika.
Das änderte sich in den 70-er Jahren, Westermayer beschäftigte 45 Arbeiter, die Hälfte der Instrumente verblieben im Deutschen Reich.
Die Firma, vertreten auf der Wiener Ausstellung 1873, „zeigt ein sehr eifriges Streben, ist aber bis jetzt noch nicht zum erspriesslichen Ziel vorgedrungen. Gar nicht zu verwerthen ist z. B. die von Westermayer erfundene Mechanik des Pianozuges, bei welcher sich die Taste hebt, wenn das Pedal getreten wird. Auch die bei seinen Ausstellungsinstrumenten angebrachte eigene Mechanik, welche aus der englischen entstanden ist, kann sich nicht mit manchen anderen erprobten Constructionen messen.“

Westermayer

Im nächsten Jahr zur Wiener Ausstellung (1874) zeigten seine Instrumente keine wesentlichen Verbesserungen: „Von einem regen, auf Verbesserungen ausgehenden, aber erfolglosen Streben hat Eduard Westermayer aus Berlin in seinem Concertflügel … und einer eigenen, von ihm erfundenen Mechanik dargelegt, welche sich jedoch nur als eine und zwar keineswegs glückliche Abart der englischen Mechanik kennzeichnet. Dieselbe erweist sich in dem von ihm ausgestellten Modell als durchaus unpraktisch; eine unglückliche Idee ist die Verbindung des Pianozuges mit der Taste, so dass die letztere gehoben wird, wenn man den Zug herabdrückt. Der Erbauer hat sich gehütet, diese Verbesserung bei seinem ausgestellten Flügel zu verwenden, die Spielart, welche dadurch erzeugt würde, müsste haarsträubend sein. Einen Hauptmangel an der Mechanik bildet der Umstand, dass sich dieselbe in Folge ihrer zu grossen Frictionsfläche (Reibungsfläche) leicht abnützen dürfte. Auch an der Mechanik des ausgestellten Flügels lässt sich Manches aussetzen. So verräth das Pochen, welches beim Anschlag vernehmbar wird, einen wesentlichen Mangel in der Construction. Der Ton ist dünn und ungleich“.

(Dank an Pianowerkstatt Martin Kappert)

Erst 1879, zur Berliner Gewerbe-Ausstellung, zeigte sich eine verbesserte Flügelmechanik, mit doppelter Auslösung, nach seinem Patent:
„Das Patent unterscheidet sich zu den Mechaniken von Erard und Steinway durch ihre Anordnungen, welche eine bequeme Zerlegbarkeit“ gestatten. Leichte Zerlegbarkeit „resultirt aus der Anordnung der Hämmer und der Stößer je an einer besonderen Leiste.
Nach Entfernung der Hammerleiste mit den Hämmern kann die Leiste mit den Stößern ausgehoben werden, während die Taste mit der Repetitionswippe nach vorn ausgezogen wird. Die Unabhängigkeit dieser drei Systeme von einander ermöglicht die Adjustirung aller Theile derselben einzeln und in ihrer Zusammenstellung ohne Schwierigkeit. … Der Hammer wird durch zwei Stößer angehoben von denen der letztere als Hülfsstößer im Verlauf der steigenden Bewegung des Hammers mehr wirkt, als der auf dem Nacken ruhende Hauptstößer. Es wird hierdurch nicht nur eine leichtere Auslösung bewirkt, sondern auch ein schnelleres Wiedereintreten des Hauptstößers in die Anfangsstellung auf dem Nacken“. Der Hilfsstößer muss einen größeren Hub haben „da beide aber, an dem Winkelarm der Schaukel wirkend, mittelst des Nackens derselben den Stoß an den Hammer abgeben …“. Garantiert wurde ein leichter Anschlag und hohe Repetitionsfähigkeit. „Infolge dieser Einrichtung ist es möglich geworden, der Feder der Repetitionswippe eine weit geringere Spannung zu geben, da diese das Gewicht der Stößer nicht mehr zu tragen hat. Es ist mithin beim Anschläge, namentlich beim Repetiren, nicht mehr ein so großer Widerstand vorhanden, weshalb die Mechanik bei der Repetition dem leisesten Druck des Fingers in den kleinsten Intervallen mit Präcision gehorcht. Auch ist die Mechanik den zerstörenden Wirkungen des starken Anschlages entzogen, da die Reibung in den Angriffspunkten infolge der geschilderten Bewegungen und der Entlastung auf ein Minimum reducirt ist“. (2)

Westermayer

Das nächste Patent, Neuerungen an der Pianoforte-Mechanik, wurde schon ein Jahr später ausgegeben: „Die vorliegenden Neuerungen haben den Zweck, bei der Mechanik an Flügeln und Pianinos eine leichtere Auslösung zu bewirken und die Berührungsstellen von Stößer und Nacken vor unnöthiger Reibung und schneller Abnutzung zu bewahren. …

Die Taste wirkt beim Anschläge zunächst auf die Wippe dadurch wird der Stößer gehoben und wirkt auf den Nacken. Das andere Ende der Wippe bewegt sich gleichzeitig abwärts, und zieht mittelst einer Schnur die um einen Haken der Feder geschlungen, ist, an dem Hebelarm des Hammers. Die Verhältnisse der verschiedenen Hebelarme zu einander sind derart gewählt, daß bei der Aufwärtsbewegung des Hammers die Zugwirkung größer wird, als die Stoßwirkung, so daß kurz vor dem Anschlage des Hammers eine vollständige Entlastung des Stößers eintritt, und derselbe ohne jegliche Reibung den Nacken verlassen kann, wozu er durch den einstellbaren Auslöser veranlaßt wird. Für die Schnur ist ein Auslöser vorhanden, auf welchen die Feder im geeigneten Moment stößt. Beide Auslösungen sind bequem zu reguliren, ohne daß man die Klaviatur aus dem Flügel zu entfernen braucht. Zum Zweck der Repetition kommt der Hammer mit keinem neuen Mechaniktheil in Berührung; auch kann die Spannung der Feder durch die Stellschraube jederzeit leicht adjustirt werden.
Nach dem Lösen eines Vorreibers an jedem Ende der Tastatur, kann der ganze obere Theil der Mechanik aufgeklappt werden, dann liegen alle Adjustirschrauben frei“. Dasselbe Prinzip findet sich auch bei Pianos. „Die zweite Auslösung ist hier nach hinten verlegt, wodurch der Vortheil, der leichten Adjustirung, welcher bei der Flügel-Mechanik hervorgehoben wurde, allerdings wegfällt.
Die Vorzüge dieser neuen Mechanik bestehen in einer größeren Schonung des Nackens und dem stets präcisen Wiedereintritt des Stößers unter denselben“. (3)Westermayer Die „Zeitschrift für Instrumentenbau“ stellte 1886, 6 Jahre später, die „Westermayer´s Patent-Repetitions-Mechanik für Flügel und Pianinos“ vor:

„Der bekannte Berliner Pianofortefabrikant Westermayer versieht seine Instrumente, Flügel und Pianinos schon seit mehreren Jahren mit einer Mechanik eigener Construktion, welche ebenso eine ganz hervorragende Schnellkraft für den Hammerschlag, verbunden mit beliebig in die Behandlungsweise des Spielers gelegter Modulationsfähigkeit an die Hand giebt, wie dieselbe andererseits in sachgemässer Zusammenstellung Einfachheit mit bequemster Regulirbarkeit in sich vereint.
    Wenden wir uns zunächst zu der Flügelmechanik. Das Eigenartige der Mechanik liegt in der Anlage zweier bewegender Momente, durch welche die Hebung des Hammers bewirkt wird. Einmal ist es, wie an den bisherigen Mechanikensystemen, der Stösser, welcher unter dem Nacken der Hammernuss angreift, zu gleicher Zeit aber und zwar mit allmählig etwas grösserer Wirkung zieht die an dem vorderen Arm des Stösserhebels befestigte Schnur an dem entgegengesetzten Theile der Hammernuss.
Im Augenblick der Auslösung wird die Stoßzunge von dem auf ihr ruhenden Gewicht des Hammers gänzlich entlastet; dieselbe geht also ganz leicht, ohne fühlbare Reibung von statten. …
Wenn die Herren Clavierspieler sich ein wenig mehr mit dem Clavierbau, der Anatomie ihrer Paradepferde vertraut machen würden, so mancher Effekt würde klanglich schöner herausgeholt werden, vor Allem aber käme es dem Wohlbefinden der Instrumente zu Gute. … Das Westermayer’sche Arrangement hat auch in der Pianinomechanik-Construction sehr bemerkbare Resultate erzielt. Der Anschlag ist kräftig und bringt den Ton heraus, des Weiteren ist die Spielart eine recht entwickelte, man hat auch bei der Pianinomechanik etwas unter den Fingern.
Ohne dem persönlichen Einzelurtheil damit irgendwie vorgreifen zu wollen, bietet uns die Westermayer’sche Construction durch ihre sachliche Einfachheit und zweckmässige Anordnung hochwillkommene Anregung zu der im Clavierbau so wichtigen Frage der Mechanikanlage“.

Vier Monate später (Jan. 1887) meldete sich Herr Westermayer wieder zu Wort. Hatte er nicht schon alles gesagt?
„Nachdem ich vor einigen Monaten Ihrem Wunsche, meine Claviermechanik-Systeme in Ihrer Fachzeitschrift zu veröffentlichen, entsprochen und damit meine bisherige Zurückhaltung aufgegeben habe … meine durch Erfahrung und Nachdenken gereifte Ansicht, wie die Mechanik des modernen Claviers beschaffen sein muss, damit dieselbe den heutigen künstlerischen wie praktischen Ansprüchen genügt, folgen zu lassen.
Es ist in der That auffallend, dass über einen so wichtigen Theil des Claviers, wie die Mechanik, bis jetzt noch gar nichts, das Wesen des Gegenstandes berührendes gesagt worden ist; auch in dem vor 14 Jahren erschienenen ‚Lehrbuch des Pianofortebaues‘ von J. Blüthner und H. Gretschel ist nichts davon zu finden. Wir ersahen daraus nur, was für Mechanik-Systeme existiren, erfuhren aber nicht, was an den einzelnen gut, was mangelhaft, oder gar verwerflich ist. Doch will ich deshalb den Herren Verfassern keinen allzuschweren Vorwurf machen, weil zu jener Zeit die Ansicht, dass die neueren Clavierconstructionen, speciell die des Flügels, sowie die so ausserordentlich entwickelte Technik des Clavierspieles auch eine vollkommenere Mechanik erfordern, noch nicht allgemein durchgedrungen war. Dieses hat sich nun im Laufe der Zeit insofern geändert, als fast alle bekannten Flügelfabrikanten ihre bisher angewendeten Mechaniken aufgaben und das Erard’sche Mechaniksystem adoptirten. Die Thatsache, dass eine schon mehr als 60 Jahre alte Erfindung, ohne seitdem irgend eine Verbesserung zu erfahren, erst in neuerer Zeit allgemein nutzbar gemacht wird, dürfte auf dem ganzen weiten Gebiete der Mechanik einzig dastehen, und bildet einen unvergänglichen Ruhmestitel Erard’s, eines Mannes, der den bescheidenen Anforderungen seiner Zeit so weit vorausgeeilt war.
Angesichts dieses Umschwunges durfte doch erwartet werden, dass der Bearbeiter der vor kurzem erschienenen 2. Auflage des „Lehrbuches“, Herr Fischer, diesen Umschwung erklären und durch Analysirung der doch nicht zu leugnenden Mängel des Erard’schen Systems seinen Fachgenossen den Weg zeigen würde, auf dem sie sich von der auf diesem Gebiete bestehenden Alleinherrschaft Frankreichs befreien könnten. Diese Erwartung wurde aber arg getäuscht; Herr Fischer wusste nur das vor 14 Jahren Gesagte zu wiederholen, behandelt auch andere in neuerer Zeit im Clavierbau aufgetauchten „Errungenschaften“ mit einer Oberflächlichkeit, welche dem anspruchsvollen Titel eines „Lehrbuches“ wahrlich sehr wenig entspricht. Ohne mich nun damit weiter aufzuhalten, gehe ich zu dem eigentlichen Zweck dieser Zeilen über“.
Weiter berichtete Westermayer über erfreuliche Mechanikkonstruktionen, doch vermisst er das „wirklich erstrebenswerte“. Oft seien das nur „Schablonenfabrikationen“ und mit alten Mängeln behaftet und brachte sehr ausführlich seine eigenen Vorstellungen.
„Es ist demnach nicht zu verwundern, wenn in der heutigen Zeit der Schnell- und Massen-Fabrikation das künstlerisch Werthvollere dem zwar praktischeren, aber künstlerisch Minderwertigeren, das Feld räumen musste, und deshalb die Herz’sche Abänderung des Erard’schen Systems jetzt allgemein angewendet wird. Wo sollten die grossen Flügelfabrikanten auch die für die Erard’sche Mechanik nothwendigen intelligenten Egaliseure hernehmen? … Vor ca. 20 Jahren hat die Steinway’sche Firma, welche ebenfalls die Herz’sche Mechanik adoptirte, den auch von Herz beibehaltenen Erard’schen Fänger durch einen in der Taste feststehenden ersetzt, was bereits vor 40 Jahren von Anderen versucht, aber aus angegebenen Gründen wieder fallen gelassen wurde. Man nennt jetzt diese Anordnung Steinway’sche Mechanik, wenn auch ohne jede Berechtigung, da dieselbe eine eigene Steinway’sche Idee durchaus vermissen lässt. …
Nachdem ich nun durch obige Auseinandersetzungen meine Ueberzeugung in Bezug auf Alles das Gebiet der Claviermechanik berührende rückhaltslos zum Ausdruck gebracht habe, werde ich in möglichster Kürze die neuen Wege darlegen, welche ich bei der Construction meiner Mechaniken eingeschlagen habe, sowie die Berechtigung der Behauptung nachweisen, dass ich damit, sowohl in künstlerischer wie practischer Beziehung Vollkommeneres als das Bestehende geschaffen habe. … Ich überlasse es nun ruhig der Entscheidung fachmännisch gebildeter Leser, ob sie gegen meine Ausführungen irgend etwas einzuwenden haben, und bitte im Interesse der Sache dringend, eventuelle Bedenken in dieser Fachzeitschrift kundzugeben.
Wenn es mir durch mein Eingehen auf das Wesen der Claviermechanik gelungen sein sollte, den Blick strebsamer Fachgenossen auf diesem schwierigen Gebiete zu erweitern, damit nicht, wie bisher, soviel Zeit und Mühe nutzlos geopfert wird, so betrachte ich den Hauptzweck dieser Zeilen als erfüllt. Berlin, … 1886. Ed. Westermayer“.

Westermayer

Nach obigem Artikel bahnt sich hier eine unglückliche Geschichte von persönlicher und gehässiger Polemik an, die sich in der Klavierbaubranche immer wieder fortsetzte.
Es folgte eine Reaktion von Herrn Fischer aus der Firma: Fischer & Fritzsch, er antwortete zwei Monate später im März 1887:
Im September vorigen Jahres erschien der Artikel über die „Zeichnung und Beschreibung der Westermayer’schen Patent-Mechanik“. Herr Westermayer hielt es „doch noch für nothwendig, zwei Monate später einen ganz gewaltigen Reklame-Artikel für seine Mechanik loszulassen. Wenn Herr Westermayer von der Ansicht ausgegangen wäre, sein Licht nicht unter‘n Scheffel zu stellen, sondern es in eine solche Stellung zu bringen, dass den Collegen die Augen übergingen, so liesse sich an öffentlicher Stelle nicht gut etwas dagegen sagen; aber, einem inneren Drange nachgebend, fand es Herr W. für gut, zugleich einige seiner Concurrenten, die so verwegen gewesen sind, auf dem Gebiete der Mechanik auch etwas leisten zu wollen, in der unmotivirtesten Weise anzugreifen, und das zwingt zur Entgegnung. … Zuerst wirft er mir in meiner Eigenschaft als Bearbeiter des in 2. Auflage erschienenen „Lehrbuches des Pianofortebaues“ von J. Blüthner und H. Gretschel Oberflächlichkeit vor, dem der Titel „Lehrbuch“ sehr wenig entspreche. … Wahrhaft klassisch begründet Herr W. diesen Vorwurf durch seine Behauptung, man hätte von den Herren Verfassern der 1. Auflage des frgl. Lehrbuches nicht wohl eine solche Analysirung erwarten dürfen, da das Bedürfnis eine vollendete Flügelmechanik zu liefern, unter den Flügelbauern jener Zeit (also vor 14 Jahren!) noch nicht vorhanden gewesen sei.
Glückliche Flügelfabrikanten von dazumal! Nachdem ein Liszt, Thalberg, Tausig, Rubinstein, Bülow u. A., durch ihre himmelanstürmende Technik euch gezeigt hatten, welches eure Aufgabe war, durftet ihr euren Halbschlaf doch ruhig weiter schlafen, ohne befürchten zu müssen, die vernichtende Kritik des Herrn W. auf euch zu laden. Nein, Herr W.! Die damalige Zeit stellte genau dieselben Anforderungen an den Flügelbau betreffs der Mechanik wie die heutige. … Liszt stellte Erard — mithin der gesammten damaligen Clavierbaubranche — die Aufgabe, eine Repetitionsmechanik zu schaffen, die seiner Technik entspräche. Erard löste diese Aufgabe, welche seine Zeit an ihn stellte, so vorzüglich, dass diese Mechanik … auch heute noch dem besten Pianisten genügt, aber er leistete nur das, was seine Zeit von ihm verlangte. … Zur Erlangung dieser Kenntniss dürfte denn doch das Gebotene in dem betr. Werke ausreichen, und somit weise ich den Vorwurf der Oberflächlichkeit entschieden zurück, auch unter der Thatsache, dass ich es vergessen habe, den Westermayerschen Mechanismus dem betr. Lehrbuche einzufügen. Wenn wir jetzt zu den anderen, in neuerer Zeit aufgetauchten „Errungenschaften“ übergehen, welche ich mit Oberflächlichkeit behandelt haben soll, so bedaure ich, dass Herr W. diese „Errungenschaften‘ nicht nennt. Wahrscheinlich meint Herr W. unter diese „Errungenschaften“, das Bestreben einiger Pianofortebauer, den Ton des Pianos durch Resonatoren, Doppelböden, Schallböden u. s. w. zu verstärken oder zu veredeln. Da die „Errungenschaften“ im heutigen Clavierbau jedoch sehr vereinzelt auftreten und man über den Werth derselben mindestens starke Zweifel hegen darf, so hielt ich es für geboten, den Geist des angehenden Clavierbauers mit problematischen Fragen nicht zu verwirren, und ich hoffe, dass alle ernster denkende Fachleute dieser Anschauungsweise zustimmen werden. … Jetzt, Herr W., zu dem letzten Punkte Ihres Angriffs, der nicht mehr ein Vorwurf, sondern eine unbegreifliche Anmaassung ist. Sie behaupten, die Auslösung durch Einknicken des Stössers zu bewirken, sei eine unbegreifliche Verirrung. …
Ehrlich denkende Clavierbauer, die in letzter Zeit meinen Mechanismus gespielt, so u. A. Herr Commerzienrath Bechstein, haben mir daher ihren Beifall auch nicht vorenthalten, und hochbedeutende Künstler wie Liszt, d’Albert, Friedheim, Siloti u. A., sind des Lobes voll über die ausgezeichnete Spielart dieser meiner Mechanik. Der Beifall solcher Männer ist mein schönster Lohn, der Tadel des Herrn W. dagegen trifft mich nicht, weil ich Herrn W. in seiner Eigenschaft als einseitigen Verfechter seiner eigenen Mechanik nicht für subjectiv genug halte, die einschlagenden Verdienste Anderer richtig zu beurtheilen, und deshalb einen Angriff von seiner Seite stets als eine blosse Anmaassung zurückweisen werde.
Leipzig, … 1887. Fischer, Firma: Fischer & Fritzsch“.

Das lässt sich Herr Westermayer nicht gefallen!
„Antwort Westermayer auf das Elaborat des Herrn Fischer … (halt, was heißt das eigentlich?)
Als ich vor zwei Monaten meinen Aufsatz über Claviermechaniken dieser Fachschrift veröffentlichte, sprach ich zugleich meinen Fachgenossen gegenüber im Interesse der Sache die Bitte aus, meinen Ausführungen entgegenzutreten, falls irgend einer derselben meine Behauptungen nicht als stichhaltig anerkennen würde. Bis jetzt ist dieses von Niemandem in einer der folgenden Nummern geschehen, erst in der mir vorliegenden No. 18 vom 21. März haben Sie, Herr Fischer, sich aufgerafft, nicht etwa mich zu widerlegen, dazu fehlte Ihnen vor Allem das Wissen, wie wohl auch die Möglichkeit, sondern Sie haben nach der bekannten Art von Leuten, die sich getroffen fühlen, denen aber die Gründe fehlen, um den Vorwurf von sich abzuwälzen, ihrem Aerger durch ebenso inhaltlose Phrasen wie unmotivirte Unterstellungen Luft gemacht. Da ich als sicher annehmen darf, dass der fachmännisch gebildete Leser meines Aufsatzes sich sein Urtheil über Ihr Elaborat selbst gebildet haben wird, so brauchte ich darüber eigentlich kein Wort zu verlieren, nur bezüglich Ihrer Insinuationen (Unterstellung) veranlasst mich die Rücksicht auf die Meinung solcher Leser, welchen mein bisheriges geschäftliches Verhalten unbekannt ist, zu einer Entgegnung. Ihre Leistung als Fachschriftsteller war für mich ein wesentlicher Grund zur Veröffentlichung meines Aufsatzes; es musste doch endlich einmal etwas über das Wesen der Claviermechanik gesagt werden, da es von Ihnen an der geeignetsten Stelle aus triftigen Gründen in der Tinte gelassen wurde. Meine Kritik war daher nicht nur eine wohlberechtigte, sondern ich glaubte damit zugleich manchem Fachgenossen, dem meine Erfahrungen nicht zur Seite stehen, einen Dienst zu leisten. Ihre Leistung als Erfinder auf dem Gebiete der Claviermechanik, die ich mit derjenigen eines anderen Herrn als unbegreifliche Verirrungen bezeichnete, brauchten Sie nur auf die in meinem Aufsatz spezialisirt angeführten nothwendigen Eigenschaften einer Claviermechanik zu prüfen, um vielleicht selbst in Ihrer Ueberzeugung von der Vortrefflichkeit derselben wankend zu werden. Das Ihrer Erfindung, nach Ihrer Aussage, gezollte günstige Gutachten bedeutender Künstler hat in sofern nur einen sehr getheilten Werth, als es auf die technische Construktion derselben, die nur der denkende Fachmann zu beurtheilen vermag, gar keinen Bezug haben kann. … Es bleibt mir nur noch übrig, den aus Ihrem Munde geradezu komischen Vorwurf zu charakterisiren, als wenn ich mit meinem Artikel ein Reclamebedürfniss hätte befriedigen wollen. Als sichersten Maassstab für die Beurtheilung eines Menschen können sicherlich seine Antecedenzien (?) gelten. Nun, Herr Fischer, in den 24 Jahren meiner hiesigen Geschäftsthätigkeit werden Sie meinem Namen nicht einmal im Annoncentheil irgend einer Zeitung begegnet sein, und hätte ich es ganz besonders für meiner unwürdig gehalten, fremde Federn behufs Erzielung eines geschäftlichen Vortheils für mich in Bewegung zu setzen. Wenn es mir trotzdem durch ehrliche, geistige und physische Arbeit gelungen ist, in weiten Kreisen Vertrauen und Anerkennung zu erwerben, so danke ich dieses gewiss auch dem Prinzip, meine Fabrikation nicht mehr auszudehnen, als ich es mit einer gewissenhaften Ausführung meines Fabrikats vereinbar finde. Einem Manne von diesen Grundsätzen kann man wohl nachsagen, dass er dem Geist der Zeit nicht Rechnung trägt, ihn aber auf Grund eines Artikel, der in einer Fachzeitschrift der Kritik der Fachgenossen unterbreitet wurde, der Reclame zu bezichtigen, dafür, Herr Fischer, hat sich gerade in Ihnen der richtige Mann gefunden. Weiter gedenke ich mich mit Ihnen nicht mehr zu beschäftigen, und schließe ich mit einem von Ihnen auf sich selbst angewendeten Ausdruck: Zwar wenig Wissen, doch viel Dreistigkeit Kennzeichnet Sie als echtes ‚Kind der Zeit‘. Berlin, …. 1887. Ed. Westermayer“.

In Magdeburg veranstaltete 1887 Paul von Janko ein Konzert mit einem Ed. Westermayer-Flügel, der zum Zwecke der Vorführung der Janko-Klaviatur extra dafür umgearbeitet wurde.

Westermayer

Folgender Nachruf zum Tode von Ed. Westermayer gibt einen interessanten Einblick in die Lage des deutschen Klavierbaues kurz vor dem Erreichen der „Glanz- und Blütezeit“ am Anfang des 20. Jahrhunderts.
„Der Tod reißt gewaltige Lücken in die Reihen der Veteranen der deutschen Klavierbauer. Einer nach dem anderen jener Männer scheidet von uns, die mit den Grundstein gelegt haben und mit emporrichten halfen den stolzen Bau, den wir heute als Glanz- und Blütheperiode der deutschen Pianoforte-Industrie bezeichnen. Zu diesen Veteranen gehörte auch der Pianofabrikant Herr Ed. Westermayer in Berlin, der am 6. Februar (1892) in Falkenstein (Taunus) im 68. Lebensjahre verstarb. Zu Memmingen in Bayern als der Sohn eines Instrumentenmachers geboren, ging er als blutjunger Klaviermacher in die Fremde, um sein Glück zu versuchen. Nachdem er sich in den bedeutendsten Fabriken Europas und durch langjährigen Aufenthalt in Amerika einen reichen Schatz von Fachkenntnissen gesammelt, gründete er 1863 in Berlin eine Pianofabrik, die er durch unermüdliche Thätigkeit und äußerst solide Arbeit zu dem Ansehen brachte, das die Firma Ed. Westermayer heute in Fachkreisen genießt. Wir verlieren in dem Verstorbenen einen alten lieben Mitarbeiter unserer Zeitschrift. Ehre seinem Andenken“.

Der neue Inhaber nach dem Tode von Ed. Westermayer ist der Neffe des Gründers, Herr Paul Westermayer, er wurde 1895 in das Berliner Firmenregister eingetragen. Der neue Inhaber hat die großsprecherische Art seines Onkels offensichtlich nicht übernommen.

Zur Ausstellung 1896 in Berlin beurteilten die Fachleute die Instrumente von Ed. Westermayer:
„Ein zweiter, kleinerer schwarzer Flügel hat eine Vorrichtung zur Tonabschwächung, ist mit einer eigen construirten Resonanzboden-Anlage ausgestattet, die eine Erhöhung der Resonanz mit gleichzeitig vermehrter Widerstandskraft gegen den Saitendruck bezweckt. Der Ton ist von sonorem schönem Klang bei ausgezeichneter Spielart. Das Pianino, in Nußbaum, matt und blank, hat ebenfalls angenehme Spielart und wohlklingende Tonfülle, hauptsächlich in der Mittellage und im Baß.
Die Modelle der allen drei Instrumenten eigenen, selbst-construirten Repetitionsmechaniken sind gleichfalls ausgestellt“. Die Mühe war nicht ganz umsonst, Westermayer erhielt die silberne Staatsmedaille mit der Inschrift: „Für gewerbliche Leistungen“.

Einen ersten k. k. Hoflieferanten-Titel erhielt Westermayer 1909 vom Kaiser von Österreich. Die Meldung erschien einen Monat später noch einmal, es könnte ja sein, dass es noch nicht alle gelesen haben.
Vier Jahre später folgte noch ein Hoflieferanten-Titel von der Königin von Preußen. Die Verleihung des Titels erfolgte von Viktoria Luise von Preußen im Juni 1913, nur kurze Zeit nach ihrer Verheiratung.

Westermayer

Änderungen der Gesellschaftsformen:
1930: „Die Fabrikanten Georg Schlesinger und Ignatz Loewy sind in das Geschäft als persönlich haftende Gesellschafter eingetreten … der Fabrikant Paul Westermayer ist als persönlich haftender Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden“.
1933: „Die Gesellschaft ist aufgelöst. Inhaber ist Pianofabrikant Paul Westermayer“
Plötzlich und unerwartet starb am 21. Februar 1937 „im Alter von 70 Jahr Paul Westermayer. …
Wir beklagen den Verlust eines Getreuen, der sich mit nie ermüdendem Eifer in selbstloser Pflichterfüllung den fachlichen Aufgaben der Klavierindustrie über 20 Jahre gewidmet und ihr auf Grund seiner reichen Erfahrungen und der gewissenhaften Betreuung unserer Belange wertvollste Hilfe geleistet hat. Ehre seinem Andenken. Fachuntergruppe Klavierindustrie der Fachgruppe Musikinstrumenten Industrie, Dr. R. Ibach“

Die Firma Ed. Westermayer erlosch im Mai 1941

(1.) lieveverbeeck
(2.) Patent 6256
(3.) Patent 11582