Menzel, Wilhelm

Pianoforte-Fabrik, Berlin, 1900 – 1930

„Stammfirma ist die 1890 gegründete OHG Lehmann, Schleifer & Co., aus der im Okt. 1891 die OHG Schleifer & Co. und im Okt. 1897 die OHG Schleifer & Menzel hervorgeht. Diese löst sich um den 1. Jan. 1900 durch gegenseitige Übereinkunft auf, Wilhelm Menzel setzt das Geschäft zunächst unverändert fort, ändert eher wenig später die Firma auf seinen Namen, wobei er weiterhin 1890 als Gründungsjahr angibt“. (Henkel)

Menzel, Wilhelm

1905 erhielt W. Menzel auf der internationalen Ausstellung „Die Kunst im Hause“ in Lüttich für das neue „Pianino mit doppelter Klaviatur in einem Rahmen (D. R.-P. Nr. 161837) den „Grand Prix“.
Ein Jahr später bekam er die „Königlich Preußische Staats-Medaille für gewerbliche Leistungen“.
Grund war das von ihm erbaute und patentierte „Zweiklaviatur-Pianino“.

Doppelte Klaviatur – Zweiklaviatur-Pianino – Wendeklaviatur

Erklärung dazu gab 1905 Professor J. Zabludowski, „ein Dirigent der Massageabteilung an der Universität Berlin“ im Verein für innere Medizin stellte ein neues Klavier von Wilhelm Menzel vor mit dem Zweck, der Klavierspielerkrankung unserer Jugend vorzubeugen. Professor J. Zabludowski:
„Bei den jugendlichen Klavierspielern konnte ich mich leicht überzeugen, daß das äußerst häufig auf tretende „Überspielen der Hände“ einzig und allein auf das Mißverhältnis zwischen den Händen des Spielenden und seinem Instrumente zurückzuführen ist. … Die Klaviere aber, wie wir sie jetzt in Gebrauch haben, sind sämtlich mit Klaviaturen von nahezu gleichen Mensuren versehen. Ich gab an, Jugendklaviere zu konstruieren, welche sich durch nichts weiter von den üblichen unterscheiden sollen als durch eine etwas kleinere Klaviatur. Es reichte für den gewünschten Zweck eine Herabsetzung der ganzen Oktave mit den Zwischenräumen von 19 cm der üblichen Klaviatur auf ungefähr 17 cm aus. Ich hatte darauf hingewiesen, daß man an einem und demselben Klaviere nur die Klaviaturen zu wechseln brauche. … Meiner Anregung kamen bald an verschiedenen Orten Pianofortefabrikanten nach. Man mußte sich sagen, daß solche Klaviere sich leicht einführen würden bei den Musikpädagogen, weil sie gar keine Änderungen in der Technik des Klavierspieler herausfordern. Ich habe bei meinem Klavier vermieden, was mein Vorgänger auf dem Gebiete der Klaviaturänderung, Janko, getan hat. Er hat seiner Klaviatur eine von den üblichen vollständig abweichende Form gegeben und somit die Erlernung einer ganz neuen Technik nötig gemacht. Ich stelle Ihnen ein Klavier meines Systems vor, vom hiesigen Pianofortefabrikanten Wilhelm Menzel gebaut. Es bietet den großen Vorzug, daß der Wechsel der beiden Klaviaturen sich mit Leichtigkeit vollziehen kann. In einem Rahmen sind zwei Klaviaturen … Durch die Umdrehung des Klavierrahmens tritt die übliche Klaviatur oder die verkleinerte in die Spielfläche. … Auf diesem Pianino können Kinder viel früher mit dem Klavierüben beginnen. Bei der geringeren Mensur fällt die starke Spreizung der Finger weg. Die Finger der Pianisten passen sich … an die ihnen gestellten Anforderungen an“.

Die Patentnachrichten benennen die Konstruktion von Wilhelm Menzel: Pianino mit Wendeklaviatur: „Ein ausziehbarer Klaviaturrahmen trägt zwei Klaviaturen und ist seitlich mit Führungsnuten versehen. In diese ragen aus den Wangen des Gestelles Zapfen, die den Rahmen beim Ausziehen führen und gleichzeitig als Drehachse dienen, wenn der Rahmen gewendet wird“.

Menzel-Pianinos auf der Auktion

Im Jahre 1906 verkaufte man in Hamburg „Menzel“-Pianos auf Auktionen. Ja, welche „Menzel“s? Außer Wilhelm Menzel gab es „Menzel & Co.“ (Paul Menzel) und F. Menzel in Pianoforte-Compagnie Concordia. Wilhelm Menzel fühlte sich „in Mißkredit“ gebracht zu sein. Ihm wurde nachgesagt, er müsse seine Instrumente „schon auf Auktionen verkaufen“. Er veröffentlichte eine Erklärung: „Die in Hamburg zur Auktion gekommenen Instrumente entstammen natürlich nicht meiner Fabrik; ich bin so mit Ordres überhäuft, daß ich mich auf derartige Geschäfte nicht einzulassen brauche“.

Menzel, Wilhelm
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„Anläßlich der Fertigstellung des 25.000sten Pianos (1910) veranstaltet Herr Hoflieferant Wilhelm Menzel in Berlin am 23. Juli mit seinem gesamten Personale eine Dampferpartie nach Rauchfangswerder. … Es war an einem schönen Julitage dieses Jahres, als eine festliche Gesellschaft von etwa 400 Teilnehmern eine Vergnügungsfahrt nach Rauchfangswerder unternahm. Wer den regen Gesprächen lauschte, hörte immer wieder die Zahl ,25000“ nennen. Es war allerdings guter Grund, jener Zahl zu huldigen: gab doch das 25 000ste Instrument, das die Pianofortefabrik des Hoflieferanten Wilhelm Menzel soeben fertiggestellt hatte, den Anlaß zu einer Feier … Zwei Umstände waren es, die der Zahl ihre besondere Bedeutung gaben: der verhältnismäßig kurze Zeitraum, noch nicht 20 Jahre, in denen diese Fabrikationsziffer erreicht wurde, und die Größe, zu der das Unternehmen sich aus ganz bescheidenen Anfängen entwickelt hat.

Die Firma Wilhelm Menzel, die neben ihrer Fabrik in Berlin, in Charlottenburg, Kantstr. 51 ein eigenes Verkaufsmagazin besitzt und in London eine Filiale unterhält, hat heute in allen Teilen der Welt Absatzmärkte für ihre Instrumente. Das Fabrikgebäude in der Warschauer Str. 58 ist ein moderner Großbetrieb, der vier Stockwerke einnimmt und außerdem ansehnliche Teile des Seitenflügels, des Quergebäudes und Vordergebäudes benutzt. Die Fabrik hat eine Dampfmaschine von 150 PS und eine eigene elektrische Licht- und Kraftzentrale.
Schon im Maschinenhause gibt die Sauganlage, die die Sägespäne aus den Werkstätten mittels Luftdruck fortschafft und der Feuerung zuführt, eine Vorstellung von der zweckmäßigen Sparsamkeit und der hygienischen Sorgfalt, die die Richtlinien für die Gestaltung des Betriebes hergegeben haben. Es kommt das überall zum Ausdruck in den ausgedehnten Kellereien, deren riesige Vorräte edler Hölzer vor der Verwendung Trockenkammern passieren; im Erdgeschoß, wo vorzügliche Vorrichtungen für den Rohbau ihre Wirksamkeit entfalten, im zweiten Geschoß, wo Umleimerei, Bespinnerei, Bodenmacherei, Flügelmacherei untergebracht sind; in den oberen Stockwerken, wo die Polierer am Werke sind, und im ersten Geschoß, wo die Instrumente zusammengesetzt werden, um dann in die Ausstellungsräume, mittels dreier Gespanne nach Groß-Berlin, oder durch das weite Netz der Verkehrsmittel in die Welt zu gehen.
Eine Fülle ausgezeichneter maschineller Einrichtungen, die zum Teil, wie die neue Lackieranlage für Eisenplatten, nach selbständigen Ideen des Firmeninhabers geschaffen wurden, unterstützen den Betrieb, in dem 250 zumeist altgeschulte Arbeiter beschäftigt werden. An der Spitze des Unternehmens steht noch heute der Begründer der Firma, dessen ausgebreitete Erfahrungen und Fachkenntnisse das Werk aus bescheidenen Anfängen zu der jetzigen Höhe führen halfen“.

Menzel, Wilhelm

Ein Jahr später ist die Rauchfangswerder Dampferpartie vergessen durch den umfangreichen Konkurs des Carl Hintze, in dessen Folge auch W. Menzel die Zahlungen einstellte und das Konkursverfahren eröffnet wurde.

Die Firma erlebte einige Turbulenzen – in Namensgebung und Geschäftsführung – 1911 wurde unter gleichem Namen die Firma Wilhelm Menzel Piano- und Flügel-Fabrik GmbH“ gegründet mit Wilhelm Menzel als Geschäftsführer.
„Im März 1920 wird die Firma in »Körte Pianofortefabrik GmbH« geändert, zugleich werden Wilhelm Menzel und Hugo Doege als Geschäftsführer abberufen, alleiniger Geschäftsführer ist Wilhelm Körte.
Spätestens ab März 1921 wird aber wieder »Wilhelm Menzel« firmiert, die Firma ist jetzt (nach anderer Meldung schon seit 1919) im Besitz von Ing. Paul Westphal, Wilhelm Menzel ist wieder Geschäftsführer“. (Henkel)

 

Menzel, Wilhelm
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„Bei der Firma Wilhelm Menzel, Piano- und Flügel-Fabrik Körte G. m. b. H. in Berlin wurde 1922 im Handelsregister eingetragen: Die Firma ist geändert in Carl Steinhoff G. m. b. H. … Zu obiger Eintragung sei folgendes ergänzend bemerkt: Als Herr Paul Westphal am 6. Novbr. 1919 die Einzel-Firmen Wilhelm Menzel, Pianofabrik in Berlin, und Wilh. Menzel, G. m. b. H., Pianofabrik in Berlin, übernahm, wurde letztere Firma umgewandelt in Körte G. m. b. H., weil zwei gleichlautende Firmen nicht nebeneinander existieren konnten. Nunmehr ist letztere wieder umgeändert in Karl Steinhoff, G. m. b. H. … Als Mitarbeiter wurde der Orgelbaumeister Herr Karl Steinhoff in die Firma aufgenommen. Herr Westphal ist nach wie vor alleiniger Inhaber der Pianofabrik Wilhelm Menzel in Berlin 0, Romintener Str. 26, und auch der umgewandelten Firma Karl Steinhoff, G. m. b. H., welche wiederum eine Schwestergesellschaft der Axial-Werke, Paul Westphal in Berlin, Warschauer Str. 59, ist“.

Eine Würdigung von Wilhelm Menzel zu seinem 75. Geburtstag:

„Herr Wilhelm Menzel, Begründer der altbekannten Flügel und Pianofabrik Wilhelm Menzel in Berlin, konnte … am 31. Oktober 1928 in seltener geistiger und körperlicher Frische seinen 75. Geburtstag feiern.
Wilhelm Menzel, ein echter Klavierbauer von altem Schrot und Korn, ist ganz in seinem Beruf aufgegangen und gehört zu den Männern, welche die deutsche Klavierbaukunst nicht nur im eigenen Lande, sondern bis in die entferntesten Erdteile hinaus bekannt gemacht und zu Ehren gebracht haben.

Menzel, Wilhelm

Er war auch einer der ersten, welcher viele Jahre vor dem Kriege einen ganz kleinen Flügel von 139 cm Länge nach England, Australien usw. exportierte. Man hatte zuerst allgemein Bedenken, ein derartig kleines Format einzuführen, weil man nicht wußte, wie das Publikum darauf reagieren würde. Es kam jedoch anders, als es sich manche Skeptiker gedacht haben, denn die Nachfrage nach dem entzückenden Menzel-Baby wurde bald so groß, daß die Firma diesen kleinen Typ jahrelang in großen Serien liefern mußte.
Bei Menzel gab es kein Ruhen und kein Rasten, immer mußte er vorwärts drängen, experimentieren, und dort, wo es in der Klavierbranche neues gab, war Menzel dabei. Das Endziel aller Menzel’schen Versuche und Experimente war immer die Verbesserung des Tones. Ein Klavier ist kein totes Stück Möbel, sagte Menzel oft; es ist wie ein Lebewesen und muß vor allen Dingen ´singen´ können.
Trotzdem Herr Menzel seine Firma schon vor Jahren an seinen jüngeren Freund Westphal abgetreten hat, ist er bis zum heutigen Tage noch rastlos in der von ihm gegründeten Fabrik tätig und hat in den letzten Jahren mehrere neue Flügel und Pianos konstruiert. Möge es ihm noch recht viele Jahre vergönnt sein, an der Seite seiner Freunde und Mitarbeiter bei bester Gesundheit rüstig weiter zu schaffen“.

„Anfang Juli 1930 wird das Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses eröffnet, doch kommt ein Vergleich nicht zustande. So wird am 9. Aug. 1930 das Konkursverfahren über das Vermögen des Alleininhabers Paul Westphal eröffnet. Nach dessen Abwicklung erlischt die Firma“.(Henkel)

Bildquelle:
(1) Martin Widmann
(2) -ek-ek