Pianofabrik in Berlin, 1880 – 1942
Populus, die Pappel, eine Pflanzengattung in der Familie der Weidengewächse, angebaut zur Gewinnung von Holz, Papier und Energie – und diese Pflanze findet Verwendung im Klavierbau!?
Populus augustus, der Pappel-August, weiß mehr darüber, davon aber später.
Das Licht der Gegenwart in das Dunkel der Vergangenheit zu bringen, wird bei August Jaschinsky, eben der besagte Pappel-August, nicht ganz gelingen.
Da ist zunächst in Berlin die handelsgerichtliche Eintragung vom Juni 1892: „A. Jaschinsky (Geschäftslokal: Dieffenbachstraße 33) und als deren Inhaber der Pianoforte-Fabrikant Gustav August Jaschinsky zu Berlin.“
Das Gründungsdatum 1892 wurde auch 1907, zum 25-jährigen Jubiläum der Firma, bestätigt.
Viele Jahre später, 1929 zum 80. Geburtstag von A. Jaschinsky, ist zu lesen: „gründete er im Jahre 1880 […] seine Pianofabrik“. So sind die Jahreszahlen, 1880 bzw. 1882, auch im „Lexikon Deutscher Klavierbauer“, H. Henkel, angegeben.
Auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896 sind Pianinos von A. Jaschinsky ausgestellt.
„Zwei völlig gleiche ausgestellte Pianinos sind in Nußbaum, matt und blank, hoch, mit einfacher Grundstecharbeit, Eisenpanzerplatte, beide mit Unterdämpfung. Der Anschlag ist leicht und giebt klaren Ton.
Ein Pianino in Nußbaum, ebenfalls matt und blank, ohne weitere Verzierung, abgesehen von einem Aufsatz. Unterdämpfung. In Anschlag und Ton befriedigend, ebenso wie das folgende Pianino, schwarz, ganz schlicht gehalten, Unterdämpfung.
Bei den beiden letzten Instrumenten vermissen wir das Firmenschild.“
Oskar Jaschinsky, der älteste Sohn, wurde 1900 Teilhaber der Firma und zehn Jahre später auch sein Bruder Hugo.
Am 1. April 1900 verlegte A. Jaschinsky seine Pianofabrik nach Treptow, Berlin SO, in die Bouchéstraße, in sein eigenes Grundstück.
Auf der Musik-Fachausstellung in Berlin im Mai 1906 waren Pianos ausgestellt, ohne nähere Beschreibungen, vermutlich aber mit Firmenschild.
Eine Festlichkeit im Hause A. Jaschinsky brachte Arbeiter und Angestellte im Juli 1907 zusammen. Zum einen feierte man das 25-jährige (!) Bestehen der Firma und außerdem die Fertigstellung des 10.000 Pianos.
Dazu sollten die Gutachten der „Gerichtl. vereidigten Sachverständigen des Kammergerichts und der Land- und Amtsgerichte“ Ad. Knöchel, Flügel- und Pianofabrikant und Emil Quandt, Hof-Pianoforte-Fabrik, betrachtet werden.
Herr Ad. Knöchel schrieb:
„Auf Veranlassung der Firma Eber & Schündler, hier, machte ich einen Versuch mit dem von dieser Firma importierten Redwood für Resonanzböden. Der Erfolg ist ein guter, der Ton in den zwei mit diesen Resonanzböden versehenen Pianinos ist nicht geringer, bei etwas mehr Zartheit als bei unserem Fichtenholz. Die Eigenschaften unseres bisherigen Holzes kennen wir in Bezug auf seinen Harzgehalt und dessen Wirkung. Da nun dieses Redwood anscheinend weniger Harz und außerdem mehr Aufnahmefähigkeit für Lack besitzt, so dürfte dies sehr günstig in Bezug auf Temperaturwechsel sein. Der erste Versuch ist gut ausgefallen, doch werden erst weitere Versuche uns die wirklichen Vor- oder Nachteile dieses Holzes zeigen müssen.“
Herr E. Quandt schrieb:
„Das mir von Herrn Robert Schündler zu Resonanzböden empfohlene und von Herrn Oskar Jaschinsky, Treptow, gelieferte kalifornische Redwood habe ich zu zwei meiner Pianinos verwandt. Ich habe feststellen können, dass die mit den aus Redwood gefertigten Resonanzböden versehenen Pianinos einen sehr hübschen, klangvollen Ton hatten. Bei der Eigentümlichkeit des Holzes, welche namentlich in der großen Aufsaugefähigkeit des Resonanz-Lackes beruht, was ich für einen großen Vorzug halte, muss erst durch praktische Erfahrung die bestmöglichste Verwendung in der Dicke des Resonanzbodens festgestellt werden. Der Toncharakter der Pianinos mit aus gewöhnlichem Resonanzholz gefertigten Böden, und glaube ich, daß dieses Holz als Resonanzholz eine große Zukunft haben wird.“
Die Firma Oskar Jaschinsky hat Anfang des Jahres 1908 „nach genügender Vorbereitung nunmehr die Fabrikation ihrer Redwood-Resonanzböden (D.R.G.M. 319949) im vollen Umfange aufgenommen“.
D.R.G.M.: Deutsche Reichsgebrauchsmuster, 1891 durch das kaiserliche Patentamt in Berlin eingeführt
Kurz nach dem die Reklame veröffentlicht wurde, meldete sich aus Wenigen-Jena in Thüringen Herr F. Glaser, Flügel- und Pianoforte-Fabrik:
„Ich möchte hierdurch auf der Reklame der Firma Oskar Jaschinsky hin […] über Redwood Resonanzböden (D.R.G.M. 319949) bekannt geben, daß ich schon seit 8 bis 10 Jahren dieselben Böden fabriziert habe und das an noch hierhabenden Pianos nachweisen kann. Über die Vorteile und Nachteile der Resonanzböden will ich mich hier nicht weiter auslassen. Ich werde aber mein Eigentumsrecht gegen die Firma Oskar Jaschinsky beim Reichspatentamt geltend machen.“
Weitere Reklamen über Redwood waren nach dieser Mitteilung nicht zu finden.
Während die Söhne im Kriegsdienst waren, leitete der Vater die Firma weiter.
Eine handelsgerichtliche Eintragung wurde im Februar 1922 veröffentlicht:
„Die Firma ist geändert in: Höpfner Pianos A. Jaschinsky G.m.b.H. Durch Beschluß vom 7. Dezember 1921 ist der Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der Firma abgeändert.“
(Das Warenzeichen: Hoepfner wurde 1910 zur Firma A. Jaschinsky eingetragen.)
In einer weiteren Reklame aus dem Jahre 1924 heißt es nicht mehr Redwood-Resonanzböden, sondern „Berliner Resonanz-Tonholz-Werke“.
Zur Leipziger Herbstmesse 1924 stellte auch „die Firma Höpfner-Pianos (A. Jaschinsky G.m.b.H.)“ aus.
„Die seit 1880 bestehende Firma hat stets Wert darauf gelegt, nur solide und tonlich hervorragende Instrumente herauszubringen, und sie wird dieses auch auf der derzeitigen Messe beweisen können.“
„Im Handelsregister wurde (1927) die Firma W. Fast G.m.b.H. Piano- und Flügelfabrik in Berlin eingetragen. […] Geschäftsführer ist Fabrikant Oskar Jaschinsky.“ Daneben wurde dem Dr. jur. Walter Fast in der Firma Hoepfner Pianos A. Jaschinsky G.m.b.H. Prokura erteilt, die 1935 erlosch.
Von einem langjährigen Mitarbeiter und Freund der Firma Hoepfner-Pianos, Herrn Paul Suppé, musste 1928 Abschied genommen werden. Er war ununterbrochen und mit größtem Fleiß in der Firma tätig. „Paul Suppé betrieb mit seinem Bruder eine Pianofortefabrik in Zeitz, siedelte aber nach Auflösung derselben (1882) nach Berlin über und wandte sich ganz der Reisetätigkeit zu. In den älteren deutschen Klavierhändlerkreisen war er eine wohlbekannte Figur. Da er stets einen Zylinderhut trug, an dem ihn die Kunden sofort erkannten, führte er in Fachkreisen den Namen ‚Zylinder-Suppé’. Ob seines jovialen Wesens erfreute er sich in Händlerkreisen größter Beliebtheit und erzielte auf seinen Reisen auch stets gute geschäftliche Erfolge. Bis vor dem Kriege reiste er noch für die Firma Hoepfner-Pianos und war dann vom Jahre 1920 an ständig für diese Firma in deren Büro tätig. […] Mit Paul Suppé ist ein letzter Vertreter der alten Zeit, ein Reisender der alten Schule dahingegangen, ein wirkliches Original, wie es die heutige, alles nivellierende Zeit nicht mehr hervorbringt.“
Während der „Zylinder-Suppé“ schon nicht mehr war, wurde der „Pappel-August“ anlässlich seines 80. Geburtstages geehrt, den er „an der Seite seiner Gattin in ganz besonderer Frische und Rüstigkeit“ verleben konnte – verbunden mit einem Rückblick.
„Als gelernter Tischler hatte er schon als ganz junger Mann ein besonderes Interesse für den Pianobau und sattelte nach seiner Lehrzeit sofort um, um sämtliche wichtigen Arbeiten des Pianobaues kennenzulernen. Als ihm diese geläufig waren, gründete er im Jahre 1880 unter kleinen Anfängen seine Pianofabrik.“ Durch seinen Fleiß und seine Energie baute er sein Unternehmen so auf, „daß die Fabrik nach 10 – 12 Jahren zu den bekanntesten Berliner Pianofabriken gehörte“. Zwanzig Jahre später, 1900, verlegte er den Betrieb in „sein eigenes Fabrikgebäude“, das er nach seinen eigenen Ideen bauen ließ. Diese Fabrik ist mit Dampf und „allen maschinellen Einrichtungen der Neuzeit aufs Vollkommenste“ eingerichtet. „Genau so, wie er im Klavierbau schwer eine andere Meinung gelten ließ, wollte er auch bei der Anlage seines Lebenswerkes seiner zukünftigen Wirkungsstätte allein mit seinen Ideen maßgebend sein. Von dieser Zeit ab nahm die Fabrik einen erheblichen Aufschwung, so daß sie, für 160 Arbeiter eingerichtet, schon in den nächsten Jahren voll besetzt war.“ In dieser Zeit meinte er, den Wert des amerikanischen Resonanzholzes „Redwood“ als ganz besonders für den Pianobau geeignet, erkannt zu haben. Er begann mit der Fabrikation und die Böden „führten sich trotz ihrer rötlichen Farbe bei Fachleuten sehr gut ein, so daß Herr Jaschinsky sich im Jahre 1910, 60jährig, kurz entschloß, einmal im Lande der Herkunft des Redwood-Holzes, in Kalifornien, das bestgeeignete Material persönlich einzukaufen. Sein schneller Entschluß führte ihn damals, wenn auch inzwischen die Redwood-Böden n u r ihrer Farbe wegen nicht mehr gekauft wurden, auch zu dem richtigen Ziel, und es sind inzwischen aus seinen Anfängen die heutigen Berliner Resonanzboden-Werke entstanden“.
Wieder scheinen die Jahresangaben nicht ganz eindeutig. In der Laudatio zu seinem 80. Geburtstag übergab A. Jaschinsky das „Geschäft sowie das Grundstück“ im Jahre 1911 seinen Söhnen. „Nach einigen Jahren hielt er bei seiner Rüstigkeit den Ruhestand aber nicht mehr aus und griff in der Hauptsaison wieder helfend ein. Als seine Söhne zum Kriegsdienst einberufen waren, übernahm er wieder die Leitung der Fabrik und übergab dann in bester Ordnung […] seinen Söhnen das Geschäft“.
A. Jaschinsky war „einer der ersten Pianofortefabrikanten, welcher die sogen. matt und blanken Pianos – zu den früheren Möbeln passend – herausbrachte und mit besonderer Fertigkeit die sogen. Maserbehandlung verstand und pflegte. Ebenso war Herr August Jaschinsky in den 90er Jahren in Berlin nur bekannt unter dem Namen Pappelaugust. Er war der erste, der erkannte, daß die deutsche Pappel ganz besonders für Absperrfurniere und für den Kastenbau sich eignete, was von anderer Seite verneint wurde. Allmählich wurde dies aber in unserer Branche auch von Fachleuten eingesehen und hat hierdurch die gute deutsche Pappel gewissermaßen ihren Einzug in unsere Branche gehalten“.
Dann erschien im Juli 1935 folgende Anzeige:
„Am 7. Juli verschied im 86. Lebensjahr der Pianofabrikant August Jaschinsky. Mit ihm geht einer der letzten Pioniere des Berliner Pianobaues, welche diese Industrie in den achtziger Jahren begannen, dahin. Sein Wirken war von Erfolg gekrönt und sein Wunsch, sein Werk noch in vollem Schaffen erhalten zu sehen, ist ihm geworden. Unter der Führung seines ältesten Sohnes wird die Fabrik in der bekannten Firma ‚Hoepfner-Pianos‘ weitergeführt.“
Das Ende der Firma ähnelt vielen anderen. Hugo Jaschinsky tritt als Geschäftsführer der „Hoepfner Pianos A. Jaschinsky G.m.b.H.“ ab, kurze Zeit später auch aus der Firma „Berliner Resonanzboden-Werke G.m.b.H.“.
Stutzpiano´s in Form eines Schreibtisches ohne Schreibtischkästchen wurden seit 1937 produziert.
„Aus dem Jahre 1939 hat sich jedoch noch ein Schreibtischklavier mit der Signatur ‚Hoepfner-Pianos A. Jaschinsky GmbH’ und der Seriennummer 10710 erhalten “ (H. Henkel, Lexikon)
Über sein Vermögen wurde 1941 das Konkursverfahren eröffnet, aber auf Antrag des Gemeinschuldners wieder eingestellt, „da sämtliche beteiligten Gläubiger ihre Zustimmung zur Einstellung erteilt haben“.
Und Oskar Jaschinsky? Unter „Musterregister-Einträge“ aus dem Jahre 1942 fand sich folgende Mitteilung:
„Berlin, Oskar Jaschinsky, ein offener Umschlag mit der Abbildung eines Modells für ein als Bücherschrank ausgebautes Piano, Fabriknummer 29.142, plastische Erzeugnisse.“
Demnach könnte die Firma fast bis 30.000 Instrumente gebaut haben.
(Quelle: Zeitschrift für Instrumentenbau)