Wanckel & Temmler

Pianofabrik in Leipzig, 1845 – 1893

Reinhold Wanckel, 1817 geboren, gründet … zusammen mit Paul Temmler 1845 die eigene Firma, ihre Instrumente begründen neben denen von Breitkopf & Härtel und I. G. Irmler den Ruf der Leipziger Klavierindustrie“. (Henkel)

Bericht von der „deutsche Industrie-Ausstellung in der Central-Halle zu Leipzig, 1850:
Wenden wir uns zu dem Innern des Saales, das von zwei Reihen – die eine aus Flügelinstrumenten, die andere aus verschiedenen Möbeln bestehend – durchschnitten wird, so haben wir gleich rechts vor uns den schon erwähnten vorzüglich gebauten Concertflügel von Wankel und Temmler, dessen Ton eben so stark und voll, als sanft und klar ist. Sein Preis ist 500 Thlr.“ (1)

Schon 1856 beschäftigt die Firma neun Arbeiter, sie beteiligte sich an verschiedenen Ausstellungen.
So zum Beispiel 1862 in London. Aus dem „officiellen“ Bericht der Londoner Industrie-Ausstellung: „Denn thatsächlich steht fest , dass die mit gar keiner Auszeichnung bedachten Instrumente mancher deutschen Firma, z.B. Breitkopf & Härtel, Wanckel & Temmler, Irmler in Leipzig, den belgischen weit überlegen sind“.

Wanckel & Temmler(2)

Bei der nächsten Weltausstellung 1867 in Paris stellte die Firma „1 Concertflügel in Polisandergehäuse mit im Königreich Sachsen patentirter Repetitionsmechanik. Das Geschäft beschäftigt 25-30 Leute; es fabricirt alle Sorten Pianos, vorzugsweise Flügel. Die meisten Fabrikate werden in Deutschalnd verkauft, gehen jedoch auch nach andern Ländern und Welttheilen.“ (1)

Aber ein Jahr später stellte Wanckel & Temmler einen Flügel “mit einem eigenen Spezialmechanismus aus. … Dieses Klavier hatte eine nette und starke Stimme, aber die Tastatur war immer noch etwas schwer und nicht bereit genug; sicherlich werden Mr. Wankel und Temler diese kleinen Dinge nicht übersehen, um sie befriedigen zu können.“ (1)

Interessante Preisliste um 1872 (übersetzt von Zoll und Fuß in cm):
1. „Grosser Concertflügel, 7 bis 7 ½ Octaven“, 240 cm lang mit „Schrägübereinanderlaufenden Saiten und zwei Geschweiften Wänden“, für grob umgerechnet 27.000 €.
2. „Grosse Concertflügel in gewöhnlicher Form, 7 bis 7 ½ Octaven“, fast 250 cm lang, für grob umgerechnet ca. 23.500 €.
3. „Salonflügel 7 Octaven“, 210 cm lang, für umgerechnet ca. 18.000 €.

Alle drei Sorten mit patentirter Repettitionsmechanik“.

4. „Stutzflügel, 7 Octaven“, ca. 190 cm lang mit englischer Mechanik, für umgerechnet ca. 15.000 €.
5. „Tafelpiano’s, 6 3/4 und 7 Octaven“, fast 200 cm lang, „mit englischer Mechanik“ für umgerechnet ca. 9.000 €.
6. „Pianino’s, 7 Octaven“, 125 cm hoch, für umgerechnet ca. 9.500 €

Die unter No. 2, 3, 4 angeführten Flügel werden auch kreuzsaitig, nach amerikanischem System gefertigt, wodurch sich der Preis um 20–40 Thlr. erhöht. Sämmtliche Instrumente haben starke Eisenverspreizung, seine Elfenbein-Claviaturen, elegante Gehäuse in Jacaranda oder Nussholz starke geschmackvolle Rollenfüsse, sind nach den neuesten und vorzüglichsten Systemen mit der grössten Sorgfalt und Genauigkeit erbaut, und zeichnen sich durch einen klaren kräftigen und klangreichen Ton aus.
Certificat. Ich habe die Pianofortes der Herren Wanckel & Temmler in Leipzig geprüft und werth gefunden, in dem ersten Rang deutscher Fabrikate gesetzt zu werden. Ihr Ton ist voll, brillant, und durch den Anschlag zu jeder Veränderung fähig“. (1)

Im Jahre 1874 arbeiteten dreißig Arbeiter in der Firma.
Am 22. Juni 1876 starb Chr. Aug. Temmler im 56. Lebensjahr.
Anschrift der Firma: Talstraße und 1886 in der Seeburgstraße.
Im Nov. 1885 wird das 2.000. Instrument ausgeliefert.

Wanckel & Temmler

In das Handelsregister des königl. Amtsgerichte zu Leipzig wurde [im Juli 1891] eingetragen, daß ein Commanditist in die Firma Wanckel & Temmler, Pianofabrik in Leipzig, eingetreten und Herrn Karl Johann Harry Levien für diese Firma Procura ertheilt worden ist“.

Wiederum ist einer der Veteranen des deutschen Klavierbaues in’s Jenseits abberufen worden. Am 3. November [1891] Nachmittags 5 Uhr verschied in Leipzig der frühere Pianofortefabrikant Herr Reinhold Wanckel. geboren im Jahre 1817, erlernte Wanckel zuerst das Tischlerhandwerk und arbeitete dann jahrelang in verschiedenen Pianofortefabriken, zuletzt bei Schambach & Merhaut in Leipzig. Im Jahre 1815 begründete er zusammen mit Temmler die Pianofortefabrik von Wanckel & Temmler in Leipzig, deren Fabrikate wegen ihrer Solidität seiner Zeit viel gesucht und berühmt waren und neben denen von Breitkopf & Härtel den Ruf Leipzigs in Bezug auf die Klavier-Industrie mit begründen halfen. Bis zum Jahre 1889 war er Mitinhaber der genannten Firma, dann zog er sich vom Geschäfte zurück. Der Verstorbene genoß die Liebe und Achtung seiner Mitbürger in hohem Maße, sodaß er jahrelang das Amt eines Stadtverordneten und Kirchenvorstehers bekleidete, während er bis zu seinem Tode das Vertrauensamt eines gerichtlichen Sachverständigen für alle in der Pianofortebranche vorkommenden Streitfälle wahrnahm“.

Das Konkursverfahren über die Commanditgesellschaft wurde 1892 eröffnet und noch im Dezember 1892 wurden aus der Konkursmasse Pianinos und Flügel verschiedener Größe, „von sehr guter, solider Arbeit, zu bedeutend herabgesetzten Preisen verkauft“.

Am 14. Mai 1893 „verstarb in Leipzig der Piano-Fabrikant Herr Paul Temmler , letzter Inhaber der kürzlich fallirten Firma Wanckel & Temmler daselbst“. Kurze Zeit später wurde die Firma gerichtlich gelöscht, „das Konkurs-Vorfahren nach erfolgter Abhaltung des Schlufstermins am 9. d. Mts. aufgehoben“.

PS
Den Gedanken, Wanckel & Temmler – Flügel berühmt zu machen durch die angebliche Mitfahrt und Untergang der Titanic kann man getrost mit untergehen lassen.

Quellen:
1. lieveverbeeck
2. Dipl. Kfm. Notker Anton