Knöchel, Adolf

Pianofortefabrik in Berlin, 1876 – 1953

Eine Persönlichkeit mit zahlreichen Tätigkeiten u. a. in der Berufsgenossenschaft, als Schiedsgerichtsbeisitzer, Vertrauensmann, Sektionsvorstandsmitglied und Mitglied des Genossenschaftsvorstandes, Vorsitzender des Vereins Deutscher Pianofortefabrikanten und Gerichtlich vereidigter Sachverständiger.
Adolf Knöchel – eine Persönlichkeit, ein Pianofortefabrikant, – bleib auch noch Zeit für Instrumente herzustellen?

Mit „2 Pianinos, schwarz“ beschickte Knöchel 1883 die Colonial-Ausstellung von Amsterdam, er erhielt die Goldene Medaille; aus dem Originalbericht:
„Ad. Knöchel in Berlin hat viel Sorgfalt auf seine zwei Pianinos verwandt. Das eine geradsaitige in schwarzem Kasten hat wohl etwas schwachen Ton, dagegen ist der des kreuzsaitigen Instrumentes bei weitem besser und besonders gesangreich im Discant. Die Knöchelchen Klaviere sind in allen einzelnen Theilen präcis gearbeitet und an der Spielart wie Zusammenstellung der Mechanik ist nicht das geringste auszusetzen“.

Knöchel

Die Pianofortefabrik von Ad. Knöchel in Berlin N., Friedrichstrafse 130, verlegt am 1. April 1902 ihre Geschäfts- und Fabrikräume nach dem eigenen Grundstücke, Chausseestrafse 2b.
Das Grundstück des A. Knöchel, Chausseestrasse 5, wurde für 1910 für eine Million Mark verkauft. Der Vorbesitzer hatte das Grundstück vor einigen Jahren für 650000 Mark erworben.

Bis zum Ersten Weltkrieg sind ca. 10.000 Instrumente hergestellt worden.

Knöchel

16 Jahren später (1926) brachte die Zeitschrift für Instrumentenbau wieder einen Artikel, eine Würdigung zum 80-jährigen Geburtstag des Flügel- und Pianofabrikant. Er „konnte am 14. Juli 1926 in voller geistiger Frische und körperlicher Rüstigkeit seinen 80. Geburtstag erleben. Wem ist diese markante Persönlichkeit, dieser Veteran in der Industrie nicht bekannt! … Seit vielen Jahren in der Reichshauptstadt ansässig, war es ihm als gebürtigem Bayer möglich, sehr viel zum Ausgleich der Gegensätze zwischen Nord und Süd beizutragen. … Über seinen Werdegang und seine Lebensarbeit seien hier folgende Daten gegeben:
Geboren am 14. Juli 1846 zu St. Johannis bei Bayreuth, verlebte er in ländlichen Verhältnissen eine harte Jugend, in der es hieß, von früh bis in die Nacht zu arbeiten. Noch vor Vollendung des 14. Lebensjahres kam er zu einem Tischler in Bayreuth in die Lehre und erwarb sich die Zufriedenheit seines Meisters durch Fleiß und Aufmerksamkeit. 1861 war die Lehre beendet. Nun war es für den Fünfzehnjährigen, dessen Vater selbständiger Reparateur und Stimmer war, nur zu natürlich, daß er sich der Klaviermacherei zuwandte. Er begab sich zu diesem Zwecke nach Plauen im Vogtlande und arbeitete dort in der bekannten Pianofabrik von Vogel & Sohn, in der er freundlichste Aufnahme und für seine Lernbegier den rechten Boden fand. Im Jahre 1863 konnte er das 50jährige Stiftungsfest der Firma mitfeiern. Später war er tätig in der Pianofabrik von Mayer in München, und vor dem Kriege 1870/71 bei Herz in Paris. Während seiner Militärzeit in Bayreuth fand er verständnisvolles Entgegenkommen zum Zweck seiner Weiterbildung in den Freistunden durch die Firma Steingräber. Nach dem Kriege war er in guter Stellung bei den führenden und weltbekannten Firmen Grotrian, Steinweg Nachf. in Braunschweig, J. L. Duysen und C. Bechstein in Berlin. Die Beziehungen zwischen der Firma Bechstein und Adolf Knöchel gestalteten sich dann später zu einem Vertrauensverhältnis. Herr Edwin Bechstein, als Mitinhaber der Firma, ließ es sich nicht nehmen, ihm vor kurzem anläßlich der 100 jährigen Wiederkehr des Geburtstages Carl Bechstein’s die Jubiläumsmedaille zu überreichen.

Knöchel
Am 1. Oktober 1876 machte sich Adolf Knöchel in Berlin selbständig; nächst in der Auguststraße, später in der Friedrichstraße 130. Im Jahre 1901 war es dem strebsamen Manne möglich, das Grundstück Chausseestraße 5 zu erwerben und seine Pianofabrik dorthin zu verlegen, wo sie auch jetzt noch betrieben wird. Mit 26 Jahren verheiratete sich Adolf Knöchel. Aus der Ehe erblühten ihm sechs Kinder, von denen der älteste Sohn, Herr Hans Knöchel, bekannt als tüchtiger Fachmann, den technischen Teil des Betriebes leitet, während Fräulein Margarete Knöchel, Nachfolgerin ihrer geschäftsgewandten und umsichtigen Mutter, als Prokurist in Dienste leistet und Max Adolf Knöchel ebenfalls seine Kraft dem väterlichen Geschäfte widmet. In den Anfangsjahren hat der junge Geschäftsinhaber manche Nacht durchgearbeitet, wobei ihm seine brave Frau Gesellschaft leistete. Leider konnte dem vortrefflichen Manne die treue Lebensgefährtin an seinem 80. Geburtstage nicht zur Seite stehen; denn sie wurde 1922, zwei Monate vor der Goldenen Hochzeit, durch den unerbittlichen Tod von seiner Seite gerissen. Den schweren ersten Jahren der Geschäftsgründung folgte dann die Zeit, in der sich der junge Geschäftsherr viel auf Reisen begab, nachdem sein verhältnismäßig wohlfeiles Instrument seiner Güte wegen im engeren Bezirke einen guten Abnehmerkreis gefunden hatte. Denn es galt nunmehr sein Fabrikat im Inland und Ausland bekannt zu machen. Holland, Schweiz und die österreichischen Länder kamen hauptsächlich in Frage; auch England war ein guter Abnehmer seiner Instrumente, die übrigens auch nach Süd-Afrika, Japan, Indien und Mexiko gingen. Schon im Jahre 1883 wurde sein Fabrikat auf der Amsterdamer Ausstellung mit der Goldenen Medaille ausgezeichnet. Es war dies auch die Zeit, in der das Ehepaar Knöchel an die spätere Zukunft dachte.

Knöchel

Mitte der 80er Jahre machte er bei der Reichsbank eine erste Einlage Ton 22 600 M. (für damalige Zeit schon ein schöner Erfolg) als feste Reserve, die sich dank einer ungemein einfachen Lebensführung, bald zu einem beträchtlichen Vermögen vermehrte, welches leider das Schicksal so vieler Vermögen teilen mußte, von der Inflation verschlungen zu werden. Aber sonst ungeschwächt, stark in der Wurzel, wird rüstig weiter gearbeitet, geachtet und geehrt von allen, die mit dem biederen alten Herrn oder seiner Firma zu tun haben. Eine weise Selbstbeschränkung in all den vergangenen Jahren schützte ihn vor einer Aufblähung des Geschäfts, so daß es nur kleine Sorgen sind, die für ihn und seine Familie die Not der Zeit mit sich gebracht hat. In Fach- und Kollegenkreisen wurde der Rat Adolf Knöchel’s von jeher geschätzt Er gehörte dem Verein der Pianofortefabrikanten als Vorstandsmitglied an, ist jetzt Vorsitzender der Sektion 2, deren Vertreter in der Genossenschaftsversammlung, sowie Mitglied des Genossenschaftsvorstandes der Berufsgenossenschaft der Musikinstrumenten-Industrie. Die Mitarbeit in der Berufsgenossenschaft war ihm immer Herzenssache. Er war einer der Jubilare, die auf Grund 40jähriger ehrenamtlicher Tätigkeit an dem Berufsgenossenschaftstag in Lübeck 1926 als Ehrengast teilnahmen. Auch auf diesem Gebiet muß Adolf Knöchel als Vorbild bezeichnet werden; es müßte schon etwas ganz Außergewöhnliches sein, das ihn verhindern könnte, an den Sitzungen und Versammlungen teilzunehmen.
Möge es dem Geburtstagskinde, dem natürlich niemand die 80 Jahre ansieht, vergönnt sein, noch viele Jahre wie bisher in körperlicher Rüstigkeit und geistiger Frische für sein Geschäft, für seine Lieben und in den ihm liebgewordenen Ehrenämtern tätig zu sein, umsorgt von treuen Kindeshänden und hochgeachtet von den Mitarbeiten im Geschäft, von den Kollegen seines Faches und den Berufsgenossen und Freunden in der Berufsgenossenschaft“.

Wenige Monate nach seinem 80. Geburtstag starb Ad. Knöchel. In der Zeitschrift für Instrumentenbau erschienen im Mai 1927 zwei Nachrufe.
Zunächst von der „Berufsgenossenschaft der Musikinstrumenten-Industrie Sektion II, Berlin:
„Noch am ersten Osterfeiertage hatte er einen mehrstündigen Spaziergang durch den Wald unternommen, und unmittelbar vor seinem Tode führte er noch heiteres Gespräch mit seinen Angestellten. So schied er, wie er es oft gewünscht hatte, ohne Krankheit und Schmerzenslager aus seinem arbeitsreichen Leben. … Durch die Wahl zum Vorsitzenden sollte ihm der Dank der Berufsgenossen für seine rastlose Tätigkeit für die Berufsgenossenschaft bekundet werden. Denn er war seinen Berufsgenossen mehr als ein pflichtgetreuer Mitarbeiter, hatte er es doch von jeher verstanden, sich Liebe und Freundschaft in ihrem Kreise zu erwerben. Auch als Vorsitzender unserer Sektion war er ein Vorbild; bei aller strengen Sachlichkeit überwogen bei ihm doch die Worte unseres größten Dichters:
`Edel sei der Mensch, hilfreich und gut`.
So nahm er bis zum letzten Augenblicke an den Aufgaben in der Berufsgenossenschaft den regsten Anteil. Sein verdienstvolles Wirken und sein freundliches Wesen, sein offener Blick und seine Aufrichtigkeit, sichern ihm ein bleibendes dankbares Gedenken. … Wir werden in dankbarer Erinnerung das Gedächtnis unseres lieben und hochverdienten Vorsitzenden Adolf Knöchel für alle Zeit in hohen Ehren halten“.
Unterschrift … Vorsitzender und … Verwaltungsdirektor.

Wenige Seiten später ein weiterer Nachruf:
„Wie wir heute schon an anderer Stelle berichten, ist Herr Pianofortefabrikant Adolf Knöchel in Berlin am 19. April hochbetagt nach einem arbeitsreichen Leben, mitten aus der ihm liebgewordenen Tätigkeit, durch einen sanften Tod abberufen worden. … Gleich vielen anderen erfolgreichen Industriellen war auch Knöchel einfacher Herkunft. … Wir können heute nur hinzufügen, daß er sich aus kleinsten Anfängen herausgearbeitet und er, unterstützt durch seine außergewöhnlich geschäftstüchtige Gattin, verstanden hat, sich durch die Güte seiner Klaviere, die Lauterkeit seines Wesens und Vornehmheit seines Geschäftsgebarens einen weithin geachteten Namen zu erwerben.
Leider ist ihm seine treue Lebensgefährtin kurze Zeit vor seinem eigenen Ableben durch den Tod entrissen worden.
Adolf Knöchel hat seine Fabrikation in weiser Beschränkung stets in kleinerem Rahmen gehalten als Anhänger des heute vielfach für unmodern gehaltenen Grundsatzes, daß man viel
besser mit eigenem Gelde arbeitet. Sein Lebensgrundsatz war: „Erst meine Lieferanten, dann meine persönlichen Bedürfnisse. Dächten alle so, so hätten wir allgemein gesündere Geschäftsverhältnisse als das leider der Fall ist. Als gerichtlich vereidigter Sachverständiger genoß er durch seine über den Parteien stehende Art, durch sein unbeirrbares sachliches Urteil allseitiges Vertrauen, so daß es ihm häufig möglich war, Streitfälle schon vor dem Prozesse aus der Welt zu schaffen. Bedürftigen Kollegen hat er in uneigennütziger Weise mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Als geborener Bayer war er, wenn es darauf ankam, von herzerfrischender Grobheit, nannte die Dinge beim rechten Namen, war aber auch der Mann, der sich gern belehren ließ, wo er geirrt hatte. Als Mensch und Fachmann verdiente er die ihm allseitig entgegengebrachte Verehrung im vollen Maße. Sein Unternehmen, das der älteste Sohn schon seit langen Jahren leitet, wird von diesem im Sinne des Vaters weitergeführt. … Sein Andenken wird bei allen, die ihn kannten, immerdar in Ehren gehalten werden“.

Bei der Firma Ad. Knöchel wurde 1928 im Handelsregister eingetragen: „Inhaber ist jetzt Hans Eberhard Knöchel. Die Prokura von Margarete Knöchel bleibt bestehen“.

Die Industrie – und Handelskammer zu Berlin hat 1939 „… einen Prüfungsausschuß für Klavierbauer und Klaviertischler berufen. … Betriebsführerbeisitzer: die Pianofortefabrikanten Hans Knöchel und Ernst Schiller, Gefolgschaftsbeisitzer: Karl Jurkat“.

„Die Firma wird von seinem Sohn Hans weitergeführt, der 1945 nach Vachendorf bei Traunstein in Oberbayern geht und hier am 23. Juli 1953 im Alter von 77 Jahren stirbt. Die Firma Adolf Knöchel wird aber noch 1946 als Handwerksbetrieb für Klavierbau in der Mitgliederliste der Fachsparte Musikinstrumentenmacher in Berlin N 65, Afrikanische Straße 140a, angeführt“. (Henkel)