Dieter's Klavierseiten

Datenarchiv des Klavierbaus

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Schwechten, Georg

Hof-Pianofortefabrik in Berlin, 1853 – 1952

„Treu und beständig“ – Schwechtenscher Wappenspruch aus dem Jahre 1334, einem in der Altmarkt ansässigem Bürgergeschlecht entstammen.

G. Schwechten wurde am 4. Febr. 1827 „zu Stolzenau in Hannover“ als das 7. unter 10 Kindern des Tischlermeisters Joh. G. Wilhelm Schwechten geboren.
Mit 16 Jahren kam er nach Berlin. Im Geschäfte seines Bruders, des Klavierbauers Heinrich Schwechten – der bereits unter Mithilfe seines Vaters 1841 Tafelklaviere baute, – erlernte Georg gründlich Klavierbau. „Dem lebhaften Jüngling entging nicht die Entwicklungsmöglichkeit des Tasteninstrumentes, und so konstruierte er bereits gegen Ende der 40er Jahre bei seinem Bruder das erste aufrechte Pianino.

 

Schwechten

Nach mehreren Jahren in Berlin und „theils auf Reisen“ widmete er sich der Kunst des Klavierbaues, bis er 1853 sein „eigenes Geschäft, zuerst auf kleinen Anfängen fußend, in der Lindenstraße“ gründete. „Seine Schöpfungen fanden solchen Beifall, daß ihr Ruf sehr bald über Deutschland hinaus selbst nach überseeischen Ländern drang.“ Er baute gradsaitige, aufrechte Pianinos und konstruierte in den sechziger Jahren sein erstes kreuzsaitiges. Nach 8 Jahren machte sich eine Betriebserweiterung nötig, G. Schwechten erwarb 1861 das Grundstück Kochstraße 61 und „ließ daselbst jene großen fünf- bis sechsstöckigen Fabrikbauwerke errichten“. Kurze Zeit später erwarb er das nachbarliche Anwesen Kochstraße 60 und 1898 durch Kauf und Neubau das Grundstück Kochstraße 62. Seit etwa 1880 baute Schwechten Flügel (Konzert-, Salon- und Stutzflügel).
„Neben seiner Ernennung zum Hof-Pianofortefabrikanten hat er auf den verschiedensten Ausstellungen, wie Melbourne, Paris (dort erhielt er 1867 eine Bronze-Medaille), London, Wien etc., stets die ersten Preise erhalten. Infolge seiner prächtigen Ausstellung auf der 1896er Berliner Gewerbeausstellung, die ein besonderer Anziehungspunkt für die Fachleute war, wurde er von der Jury zum Inhaber des ersten Preises, der großen goldenen Medaille, vorgeschlagen und von der Regierung außerdem mit der silbernen Staatsmedaille für gewerbliche Leistungen preisgekrönt.“ Um die Jahrhundertwende beschäftige er ca. 150 „Mitarbeiter und Gehilfen“. Bis vier Tage vor seinem Tode war er „in aller Rüstigkeit noch in seiner Fabrik thätig.“

 

Schwechten

Georg Schwechten starb am 19. August 1902.

Am 19. August 1902 wurde die offene Handelsgesellschaft gegründet mit den Gesellschaftern Wilhelm Schwechten, Clara Fiebelkorn (Georg Sch. älteste Tochter), Leopold Thiel und Georg Thiel.
„Die Gesellschaft hat Geschäft und Firma durch Erbgang vom bisherigen Alleininhaber erworben.“
Aus der offenen Handelsgesellschaft schieden 1909 Georg Thiel und Wilhelm Schwechten zum Jahresbeginn 1911 aus. (s. Anhang)

 

SchwechtenInzwischen erhielt der Hof-Pianofortefabrikant Herr Leopold Thiel, „der erst vor kurzem vom Prinzen Joachim Albrecht von Preußen zum Hof-Pianofortefabrikanten ernannt wurde“, auch vom Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar den Hoflieferanten-Titel verliehen. 1912 erfolgte durch völligen Neubau der Grundstücke Kochstr. 60/61 der Umzug in das „mit allen technischen Errungenschaften der Neuzeit ausgestattete Fabrikgebäude“ O 112, Frankfurter Allee 135. Ausstellungs- und Verkaufsräume blieben weiterhin in dem Gebäude Kochstr. 62.
Im Januar 1913 wurde die oHG durch Ausscheiden der Witwe Clara Fiebelkorn in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt, ein Kommanditist wurde beteiligt.
Zu Beginn des Jahres 1914 baute G. Schwechten 8 Flügel- und 17 Pianino-Modelle, auch ein Pianino mit „eingebauten 88er Kunstspielapparat“.
Über 41.000 Instrumente wurden bis dahin gefertigt.
Im gleichen Jahr wurde „dem langjährigen Inhaber … Herrn L. Thiel“ vom König von Rumänien der Hoflieferanten-Titel verliehen.
Am 15. April 1918 wurde eine neue Kommanditgesellschaft gegründet, nachdem die bisherige aufgelöst wurde. „Persönlich haftende Gesellschafter sind“ Wilhelm und Friedrich Schwechten. Interessant wieder die Meldung im März 1919: „Die Herren Wilhelm Schwechten und Friedrich Schwechten haben mit rückwirkender Kraft auf den 15. April 1918 die Firma G. Schwechten … von Herrn Leopold Thiel … käuflich erworben. Das Unternehmen wird unter der unveränderten Firma als Kommanditgesellschaft weitergeführt … Die Firma „Friedrich Schwechten“ in Berlin, bisher Graefestr. 71 und Lützowstr. 78, wird unverändert weitergeführt. Die Fabriken und Kontore beider Unternehmen befinden sich in Berlin O 112, Frankfurter Allee 32. Die Verkaufs- und Ausstellungsräume befinden sich SW 68, Kochstr. 62.“
Herr Leopold Thiel verstarb 55jährig am 13. Nov. 1919 in Weimar.

Etwas bescheidener war die Produktion nach dem Ersten Weltkrieg, drei Flügel- und 9 Pianino-Modelle waren im Angebot. Neukonstruktionen, wie die „Patent-Doppelspreizen-Panzerplatte, eine eigenartig berechnete Skala und der neue Patentklangboden“ haben die Qualität der Schwechten-Erzeugnisse fortentwickelt.

Schwechten

Eine Neuheit des Jahres 1924, Der Schwechten-Patent-Resonanzsteg, D.R.P. 384 724 und 384 725: „… Ganz ähnlich ging es auch mit dem Resonanzsteg, der mit geringen Änderungen und Ausnahmen mehr oder weniger die gleiche Form beibehielt und nur im Querschnitt mit einer breiteren oder engeren Auflagefläche auf dem Resonanzboden ruhte, je nachdem der betreffende Fabrikant ein größeres Volumen des Tones oder höhere Klangfähigkeit zu erzielen bestrebt war. Das Problem, diese nachteiligen Wirkungen vollkommen auszuschalten, dabei das Volumen des Tones zu erhöhen und gleichzeitig auch Klangfülle und Ebenheit bei der Erzeugung glockenreiner Töne zu erreichen, ist fraglos im vollendetsten Maße gelöst durch den Patent-Resonanzsteg … Die Form dieses Steges ist in Anlehnung an den Geigensteg so geformt, daß beim Anschlagen der Saiten des Flügels der ausgebugte Steg selbst in Schwingungen gerät und so in nie geahnter Weise dem Ton einen langanhaltenden singenden Klang verleiht, so daß selbst ein Flügel von nur 1,60 m Länge sich voll und ganz in einem mittleren Konzertsaal mit seinem Klang auswirkt.“
1925 erlöschte die Gesamtprokura, weil die Prokura von Paul Krebs widerrufen wurde, Frau Frieda Bielefeldt wurde Prokuristin, kurze Zeit später erhielt Herr Eduard Dreykluft Prokura erteilt. In der Zeit ab 1925 geriet die Firma immer wieder in Zahlungsschwierigkeiten. Kurz vor Ende des Jahres rief die Firma ihre Gläubiger zusammen, „um die Bewilligung eines Moratoriums nachzusuchen.“
Und bereits am 7. Dez. 1925 wurde die Geschäftsaufsicht angeordnet, die am 6. April 1926 durch gerichtlichen Vergleich beendet wurde.
Im April 1926 wurde dem Dipl.-Ing. Eduard Fiebelkorn (Enkel des Gründers) Prokura erteilt.
1928 starb erst 40jährig die Prokuristin Frau Frieda Bielefeldt.
Unter „Zahlungseinstellungen“ ist vermerkt: „Die Firma G. Schwechten … ist in Zahlungsschwierigkeiten geraten und hat die Firma … mit der Vorbereitung des gerichtlichen Vergleichsverfahren beauftragt…“
Am 27. August 1930 wurde über das Vermögen
1. der Kommanditgesellschaft G. Schwechten
2. des persönlich haftenden Gesellschafter Wilhelm Schwechten
3. des persönlich haftenden Gesellschafter Friedrich Schwechten das Vergleichsverfahren eröffnet. Der Termin zur Verhandlung über den Vergleichsvorschlag ist auf den 24. Sept. 1930 angesetzt worden.
Am 26. Nov. 1930 wurde das Vergleichsverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft … „nach rechtskräftiger Bestätigung des Vergleiches aufgehoben.“ Wenige Tage danach Einstellung des Vergleichsverfahrens über das Vermögen von Wilhelm und Friedrich Schwechten.

Schwechten

Das Kleinklavier „Schwechten-Mignon-Piano“ war seit etwa 1938 im Angebot.
Der Leiter der Reichsgruppe Industrie hatte den Herrn Wilhelm Schwechten … „mit Schreiben vom 10. Januar 1939 zum Obmann für Qualitätsarbeit für den Bezirk der Wirtschaftskammer Berlin-Brandenburg ernannt.“
Im März 1939 berief die Industrie- und Handelskammer in Berlin einen Prüfungsausschuß für Klavierbauer und Klaviertischler. In den Ausschuß berufen wurden:
„Vorsitzender Pianofortefabrikant Wilhelm Schwechten, Stellvertr. Vorsitzender Pianofortefabrikant Emil Manthey …“
Noch Ende 1941 wurde das „Schwechten-Mignon-Piano“ angepriesen.

Ein Bericht aus „170 Jahre Klavierbau in Eisenberg/Thüringen“, Verlag E. Bochinsky, S. 211: „Schwechten: Der Betrieb in der völlig zerstörten Frankfurter Allee ist noch erhalten und über die Trümmer der Vorderhäuser erreichbar. Schwechten hat die Absicht, einen Aufbau in Neukölln oder einer anderen Zone zu versuchen. Die Zusammenkünfte der Berliner Fabrikanten sind seiner Initiative zu verdanken.“

Zu Beginn des Jahres 1954 wurde ein Liste mit allen Berliner Musikinstrumentenbauern veröffentlich. U. a. „W. Schwechten sen., Flügel, Pianos; Berlin SO 36, Glogauer Straße 21“.

Im Fabruar 1954 starbt Herr Wilhelm Schwechten.

Die Produktion wurde etwa 1955 eingestellt.
Letzte Herstellungsnummer ca. 50.000

 

Schwechten

Anhang:

Der Grund des Ausscheidens (Jahresbeginn 1911) von Herrn Wilhelm Schwechten lag darin: Er gründete eine eigene Pianofortefabrik: „Schwechten & Boes“, Flügel- und Pianofortefabrik in Berlin, SW 48, Wilhelmstraße 118. Die neue Firma wurde am 19. Januar 1911 in das Handelsregister des Kgl. Amtsgerichts Berlin-Mitte eingetragen. Die eingetragenen, persönlich haftenden Gesellschafter waren: 1) Georg Wilhelm Emil Schwechten 2) Johann Friedrich Jakob Schwechten und 3) Arthur Richard Rudolph Boes. Lange währte die „Liebe“ nicht, ein halbes Jahr später (Mitte 1911) verläßt Arthur Richard Rudolph Boes die Firma. Handelsgerichtlicher Eintrag, Änderung in: Gebr. Schwechten, Pianofortefabrik vorm. Schwechten & Boes

Nächste handelsgerichtliche Meldung im November 1912: „Herr Wilhelm Schwechten ist aus der Firma Gebr. Schwechten … ausgeschieden. Herr Friedrich Schwechten setzt die Firma unter seinem Namen fort.“ Wilhelm Schwechten bekam die Prokura erteilt, Friedrich Schwechten wurde alleiniger Inhaber. Im September 1913 erfolgte die Verlegung der Fabrik nach S 59, Graefestraße 71, Magazin und Kontor befanden sich in W 35, Lützowstr. 71. Anfang 1919 wurden die Fabrikräume und Kontor der Firma Friedrich Schwechten nach O 112, Frankfurter Allee 22, verlegt.

Eine weitere Abzweigung von „Schwechten“: Eintrag im Handelsregister 1914,
Gründung der Firma Schwechten Verkaufsgesellschaft m. b. H., mit dem Sitze in Berlin“. Gegenstand des Unternehmens war der Handel. Hier bemühte sich „G. Schwechten“ zu betonen, daß er mit der Verkaufsgesellschaft nichts zu tun habe.

1928 neue Eintragung im Handelsregister: Firma Schwechten Handels-Ges. m. b. H., Berlin-Halensee, Schweidnitzer Str. 11/15. Handel mit Musikinstrumenten aller Art, Geschäftsführer: Wilhelm Schwechten und W. Busse)

Anfang 1930: Wilh. Schwechten ist nicht mehr Geschäftsführer der Schwechten Handels-Ges. m. b. H, der Kaufmann Walter Kühn ist zum weiteren Geschäftsführer bestellt. Im Sept. 1930 wurde im Handelsregister unter der Schwechten Handels-Ges. m. b. H vermerkt: Herr Walther Poltrock ist nicht mehr Geschäftsführer.

1930, so die Eintragung im Handelsregister, gründete Herr Wilhelm Schwechten wiederum eine neue Firma: „Schwechten G.m.b.H.“, in Berlin-Friedenau, Südwestkorso 76. „Gegenstand des Unternehmens: Herstellung und Vertrieb von Musikinstrumenten aller Art, von Radioapparaten … Geschäftsführer: Frau Margarete Schwechten, Wilhelm Schwechten.

Ende 1938 wurde der Fabrikant Friedrich Schwechten zum weiteren Geschäftsführer der „Schwechten G.m.b.H.“ bestellt, Frau Margarete Schwechten ist nicht mehr Geschäftsführer, „Dem Fräulein Edith Laenge, Berlin, ist Einzelprokura erteilt“.