Rabus, Hermann

Pianobaumeister in Bremen, 1894 -1954

Die freie Hansestadt Bremen verzeichnete 1925 ca. 320.000 Einwohner. Sie beherbergte in dieser Zeit nur zwei Klavierfabriken, die von Otto Thein und von Wilh. Janssen. Dafür gab es mehrere Pianohandlungen, -bauer und -macher. Aus einem Pianobauer und Hoflieferanten wurde eine Persönlichkeit, die weit über Bremen hinaus bekannt wurde: Hermann Rabus.

Er erblickte am 5. Mai 1871 das Licht der Welt in der Freien Hansestadt Bremen, einem souveränen Bundesstaat im Deutschen Reich.
Mit 23 Jahren übernahm Hermann Rabus, der Pianofortebauer, am 1. Mai 1894 das bisher von Otto Thein geführte Piano-Magazin in Bremen, Domshof 11.
1900 verlegte er seine Pianohandlung in sein eigenes Haus „An der Fedelhören 71“, welches modern und schon mit elektrischem Licht ausgestattet war.

Große Ehrung für den Pianofortebauer im Jahre 1906: Der Herzog Ernst von Sachsen-Altenburg ernannte ihn zum Hoflieferanten.
Franz Carl Hermann Rabus siedelte 1908 in seine „neu erworbenen und in bester Lage gelegenen Grundstücke, Fedelhören 55, über“. In den großen Räumen dieses alten Patrizierhauses sind die Fabrikate der von ihm vertretenen Weltfirmen zu besichtigen. (1)

1911 beging Hermann Rabus sein 25-jähriges Berufsjubiläum.
Doch zunächst noch einige Zeilen über seinen Werdegang. „Vor 25 Jahren trat Hermann Rabus bei der alten, rühmlichst bekannten Firma Adolf Geyer zu Eisenberg in die Lehre. Mit den besten Empfehlungen seines Lehrherrn ausgestattet, ist er dann ein Vierteljahrhundert hindurch, rastlos vorwärts strebend, tätig gewesen, immer an der Vervollkommnung seiner Kunst arbeitend; und heute ist wohl keiner der vielen ersten Virtuosen und Dirigenten, die durch die Bremer Konzertsäle gehen, der nicht seine Hilfe und technische Sachkenntnis mit voller Anerkennung in Anspruch nähme. Von den Wänden der vier unteren großen Räume des Magazins herab, in dem wir nur Fabrikate erster Firmen vertreten finden, grüßen uns denn auch die von Rabus selbst gezeichneten Porträts von d’Albert, Busoni, Georg Schumann, Paderewsky, Weingartner, Panzner, Noeßler und Erdmannsdörfer u. a. m., die alle ihrer Anerkennung und Dankbarkeit durch schmeichelhafte, auf den Bildern eigenhändig eingetragene Widmungen Ausdruck verliehen haben. Auf meinen Reisen habe ich viele Piano-Magazine kennen gelernt, aber an einfacher Vornehmheit sind dem bremischen Pianolager von Hermann Rabus nur wenige an die Seite zu stellen“. …

Rabus

Zu seinem 25-jährigen Berufsjubiläum entschied er sich, für seine weitere Arbeit einen Transportwagen zuzulegen „der sich, nach allen Regeln der Kunst und nach eigenen Zeichnungen und Angaben hergestellt, als außerordentlich praktisch bewährt hat. … Was die äußere Ausstattung anbetrifft … macht das Ganze einen sehr noblen Eindruck und ist zugleich eine vornehme Reklame. Von der inneren Einrichtung erwartet man selbstverständlich die Möglichkeit einer denkbar leichten und glatten Bewegung der Instrumente bei größtmöglicher Reduzierung der Arbeitskräfte. Das ist hier durch eine doppelt ausziehbare Brücke erreicht worden, vermittelst deren man die Instrumente, wo nur eben angängig, vom Wagen aus direkt in die Parterre-Wohnungen einschieben kann. In dem Wagen können ein großer Konzertflügel oder zwei Pianinos bequem Platz finden; außerdem sind noch zwei Sitze für Mitfahrende angebracht. Besonders für Flügel ist die Befestigung außerordentlich einfach und sinnreich erdacht. An einem auf dem Instrumente ruhenden Querstück, das in seiner Länge das seitliche Tiefenmaß des Wagens besitzt und zwischen die gepolsterten Wände eingefügt wird, ist eine Lasche befestigt. Durch eine Holzschraube, die in das Fußstück faßt, wird das Instrument an diese Lasche herangezogen und ist so bei Schwankungen des Wagens nicht der geringsten Erschütterung ausgesetzt. Mancher wird vielleicht … Bedenken haben, ob der Wagen nur von einem Pferde gezogen werden könne. Die Achsen bewegen sich indes in Kugellagern, und dadurch wird ein derartig leichter Lauf erzielt, daß das Pferd schon Touren von 40 km und mehr mit leichter Mühe bewältigt hat. Es ist dem Besitzer also möglich, Instrumente aus den Bremer Konzertsälen direkt nach Verden oder dem 45 km von Bremen entfernt liegenden Oldenburg zu überführen, wodurch das lästige und besonders an den Konzertinstrumenten nicht spurlos vorübergehende Aus- und Einpacken vermieden wird und die Transportspesen sich noch niedriger stellen, als auf den verschiedenen Wegen mit der Bahn. Eins darf übrigens nicht unerwähnt bleiben, und das sind die auswechselbaren Räder mit Gummi- und Stahlreifen. Erstere kommen in der Stadt zur Verwendung, während letztere bei größeren Fahrten in die Umgegend angebracht werden“. (1)

Es fehlte nicht an einer Einweihungsfahrt, wobei der Wagen nicht mit Instrumenten beladen war, sondern mit einer feiernden Gesellschaft. „Sogleich wurden aus einer geheimnisvollen Ecke noch eine Anzahl Römer hervorgezaubert, denen einige Flaschen Rüdesheimer folgten. … Das Ziel der Reise war die Behausung eines 7 km von Bremen entfernt wohnenden gemeinsamen Freundes, den wir mit seiner jungen Frau zum Kaffee einluden. Tassen, Kannen usw. mit dem dazu gehörigen schwarzen Naß wurden der Küche des geladenen Paares entlehnt, und so war denn auch bald der fahrbare Kaffeeklatsch fertig. … Die Rückfahrt war noch reichlich so interessant, wie die Hinreise. Die elektrische Beleuchtung war nämlich noch nicht fertig, und so mußte eine Stearinkerze, die in einen Backtorf eingeklemmt wurde, aushelfen. Das unheimlich flackernde Licht beleuchtete gespenstisch die Gesichter der Fahrgäste, so daß das Ganze einem fahrbaren ‚Verbrecherkeller‘ zu vergleichen gewesen wäre, wenn nicht von jedem Antlitz nur helle Freude und unschuldiger Übermut geleuchtet hätte“. (1)

Rabus

1916 wurde der Ehefrau Wilhelmine Rabus Prokura erteilt.
1918 erhielt der Hoflieferanten die „Kgl. Preuß. Rote-Kreuz-Medaille“ verliehen.

„Am 1. Mai 1919 feierte die Firma Hermann Rabus, Pianohandlung in Bremen, die 25. Wiederkehr ihres Gründungstages. Solch ein Tag darf nicht unbemerkt vorübergehen. … In solcher Zeit ist es gut, wenn man auf etwas Feststehendes hinweist, auf die Tatsache einer Entwicklung, die von den ersten schweren Anfängen ausgehend, sich über ein halbes Menschenleben erweitert hat und ihren vorgezeichneten Weg gegangen ist. … Hermann Rabus, aus der altbewährten Pianofortefabrik von Adolf Geyer in Eisenberg (S.-A.) hervorgegangen, kam, nachdem er längere Zeit als Reisebegleiter d’Albert’s und anderer großer Pianisten tätig war, nach Bremen, um sich hier niederzulassen. Aus kleinen Anfängen heraus, entwickelte sich die Firma als Hauptvertreter von C. Bechstein-Berlin mehr und mehr.
Hermann Rabus, ein von der Pike auf gedienter Klavierbauer und Fachmann in allen den Klavierbau betreffenden Fragen, wurde bald einer der gesuchtesten Männer im Musikleben Bremens. Wer einen Flügel, ein Klavier kaufen und sich reellen Händen anvertrauen wollte, ging zu Rabus; wem die gute Behandlung seines Instruments am Herzen lag, vertraute es Rabus an zur Reparatur; wer in Dingen seines Instruments sich nicht Rat wußte, Rabus stand allen mit Rat und Tat zur Seite. So konnte es nicht ausbleiben, daß er seiner Firma einen Ruf schaffte, der sich nicht nur in Bremen, sondern auch im Hinterland, Oldenburg und Ostfriesland und ins Hannoversche verbreitete. Als Mensch von stiller, liebenswürdiger Offenheit und Zuvorkommenheit, als Kaufmann von strengster Gewissenhaftigkeit, als Klavierkenner eine unbedingte Autorität, steht Hermann Rabus seinem Geschäft, das sich stetig entwickelt hat vor, geachtet und geschätzt in den musikalischen Kreisen Bremens.“ (1)

Rabus

Rabus betätigte sich 1920 bei der Auflösung der OHG von Otto Thein als Liquidator.
Jetzt endlich, Hermann Rabus, Generalvertreter der Pianofortefabrik C. Bechstein, erhielt 1930 von der Hamburger Gewerbekammer den „Meister“-Titel verliehen, mit der höchsten Auszeichnung „Sehr gut“.

Laudatio zum 60. Geburtstag im Jahre 1931:
‚Ernst ist das Leben, heiter die Kunst‘, (Friedrich Schiller). „Wie oft begegnet man einer leichtfertigen Auslegung dieses Dichterwortes. Zerstreuung, Lärm, flotte Musik gilt als Rechtfertigung für diesen Drang zur Heiterkeit. Auf der einen Seite Jazz und Schlager, auf der andern Seite Heiterkeit im klassischen Sinne, gibt es größere Gegensätze? … Besser noch eine Umformung des Wortes: ernst ist das Leben, ernster die Kunst. Und da treffe ich mich mit dem Menschen, dem diese Zeilen gewidmet sind: Hermann Rabus, dem bekannten Klavierbauer Bremens, dem langjährigen Vertreter der Firma Bechstein. Am 5. Mai wird er seinen 60. Geburtstag feiern. … Wer im Musikleben unserer alten Hansestadt steht, kennt Hermann Rabus; er kennt die Sorgfalt und Hingabe, mit der alles, was ihm anvertraut ist, gepflegt und betreut wird. Kein Flügel wird im Konzertsaal aufgestellt, den er nicht selber überprüft hat; kein Transport eines Instruments, den er nicht selber leitet und überwacht. Kein Hausinstrument, das man nicht ruhigen Gemütes seiner absolut fachmännischen Hand anvertrauen könnte; kein Urteil über Fachfragen, dem man nicht ohne Bedenken zustimmen kann. … Als Hauptvertreter des Hauses Bechstein fand Hermann Rabus Eingang in die Konzertsäle, und hier konnte sich seine Begabung erst voll auswirken. … Bald war sein Name bekannt bei allen konzertierenden Künstlern. Wenn Hermann Rabus ,’den Flügel stellte‘, konnte jeder beruhigt sein, dann fehlte nichts. So schuf er sich seinen Ruf als ,’Flügelmann‘. … Zweimal mußte er das Geschäftshaus wechseln, da die Räume nicht mehr genügten, bis er im ,’Beethovenhaus‘ sich ganz nach seinen Ideen einrichten konnte. Seine jetzigen Ausstellungsräume gleichen künstlerisch ausgestatteten Musikzierräumen. … Ein Schmuckstück dieser Ausstellung ist der von Hermann Rabus neu-aufgearbeitete Nanette-Streicher-Flügel, auf dem Beethoven gespielt hat bei seinen Besuchen im Streicher’schen Hause. Wohl selten ist ein Instrument, mit solcher Liebe behandelt, wieder neuauferstanden, peinlich genau in der Mechanik, leuchtend im Schmuck seines edlen Holzes“. (1)

„Am 1. Mai 1934 konnte die bekannte Firma Hermann Rabus in Bremen auf ihr 40-jähriges Bestehen zurückblicken. 40 Jahre ernster Arbeit, 40 Jahre Aufstieg und Erfolg. Wer das mitgemacht hat, weiß, wie reich ein Menschenleben im bunten Wechselspiel des Schicksals sein kann, wenn es geleitet wird von Kenntnis, Erfahrung und Ehrbarkeit. Wer Hermann Rabus kennt, weiß, daß diese drei auch ihn geführt haben, ihm den Weg gewiesen haben, den er von ersten und einfachen Anfängen an bis zum heutigen Tage gegangen ist. In den Mauern der alten Hansestadt Bremen und weit ins Land hinaus hat er seinem Namen und seiner Firma die Achtung erkämpft, die man ihm überall entgegenbringt“. (1)

Auf der Musikinstrumenten-Innungstagung 1937 in Oldenburg sprach Hermann Rabus sehr pathetisch zu dem Thema: ‚Kraft durch Freude‘. … „Es gibt kaum einen Raum, wo Menschen leben, der nicht erfüllt würde von dem Erklingen der Werke, die unsere Kunst und unser Fleiß geschaffen. Ob es sich um Orgel, Klavier, Geige, Flöte, Mund- und Ziehharmonika oder um irgend ein anderes Musikinstrument handelt, die Seele des Erbauers, seine peinliche Sorgfalt, sein Ruf, und damit Deutschlands Ruf, klingen mit und werben für deutsche Kraft und Leistung. Solch ein Ruf verpflichtet. … Nur dann haben wir Anrecht auf Freude, nur dann wird die Freude nicht lauter Trubel sein, sondern tiefste innere Befriedigung über planvoll Erstrebtes und unter Mühen Erreichtes. Nur so ist diese Freude Lohn für Krafteinsatz und Ansporn zu weiteren Ergebnissen unserer Kraft. Und unter dieser Vorbedingung werden wir ‚Kraft durch Freude‘ erleben“. (1)

Es folgte eine Tragödie, die sich leider millionenhaft wiederholte. – Am 8. Mai 1941, kurz nach Mitternacht erfolgte ein Bombenangriff auf Bremen: „14 Sprengbomben auf das Fedelhören“, es war der 58. Angriff auf Bremen seit einem Jahr!!! Hermann Rabus starb durch den Bombenangriff, auch sein Betrieb wurde zerstört. — Seine Witwe führte das „Geschäft unverändert fort“.

In einer Ausgabe der Instrumentenbau-Zeitung von 1954, zum 60-jährigen Bestehens des Pianohauses, wurde der Sohn des Gründers besonders gewürdigt:

Rabus
„Arno Rabus … ist es zu danken, daß dieses Musikhaus nach dem Chaos von 1945 wieder erstanden ist. Mit vorbildlicher Geduld hat er nach zweimaliger totaler Vernichtung des Betriebes, zunächst in der Meinkenstraße, begonnen, ihn wieder aufzubauen. 1949 wurde dann auf altem Familienboden — Fedelhören 55 — ein Teilneubau errichtet, dessen Inneres wertvolle Zeichnungen von der Hand Hermann Rabus und ein erhalten gebliebener Nanette-Streicher-Flügel von 1823 zieren, sowie Fotos und Widmungen einer großen Zahl namhafter Pianisten als Anerkennung für vorbildliche Konzertbeflügelung. Jahrelange Studien- und Wanderjahre mit einer gründlichen Ausbildung im Piano- und Flügelbau bei bekannten Firmen wie Geyer (Eisenberg), Scheel (Kassel), Carl Matthaes (Stuttgart), E. F. Gruß (Frankfurt/Oder) haben dem Inhaber neben angeborener Veranlagung im Manuellen und hoher Musikalität die Grundlagen für seine erfolgreiche Arbeit gegeben. Die Werkstatt birgt wieder modernste Maschinen und Vorrichtungen für die Ausführung schwierigster Reparaturen. … Besondere Aufmerksamkeit von Arno Rabus gilt dem Konzertflügel, aus der Erkenntnis, daß eine gute Interpretation von einem guten Instrument abhängt. Lebhaft interessiert nimmt auch Frau W. Rabus … noch Anteil an allen Einzelheiten des Geschäftsganges. Für den vollständigen Wiederaufbau des Bremer Bechstein-Hauses liegen bereits die Pläne vor. Arno Rabus hofft, sie bald verwirklichen zu können“. (2)

Rabus
Zwei Jahre später, 1956, starb Arno Rabus.
„Mitten aus einem arbeitsreichen Leben wurde der Inhaber der Firma Hermann Rabus, .. der 75-jährige Arno Rabus, nach einer überraschenden Herzattacke für immer abberufen. Arno Rabus galt als einer der führenden Fachleute des Klavierbaus in Nordwestdeutschland. Weit über Bremen hinaus sorgte er dafür, daß bei Orchester- oder Chorabenden Flügel oder Pianos in bestem Zustand waren. Sein Vater … ermöglichte Arno Rabus die besten Ausbildung. … Nach der Zerstörung des Betriebes Am Dobben baute Arno Rabus zusammen mit Meister Körner … in der Kahlenstraße eine neue Werkstatt auf, dann, nach erneuter Zerstörung durch Bomben, in der Meinkenstraße. Nach dem Kriege wurde unter vielen Schwierigkeiten eine neue Werkstatt auf dem alten Grundstück Am Dobben errichtet.
Arno Rabus hat stets starken Anteil am musikalischen Leben in seiner Heimatstadt genommen. … Die Stadt Bremen verliert heute eine Persönlichkeit, die schwer zu ersetzen ist“. (3)

Rabus

Die Witwe W. A. Rabus ist am 8. Juli 1959 verstorben, die Firma ist erloschen (HRA 2278)

Herzlichen Dank Herrn Klavierbaumeister Wolfgang Wiese, Bremen, für seine Mitarbeit.

Quellen:
(1) Zeitschrift für Instrumentenbau
(2) Instrumentenbau-Zeitung
(3) Weser-Kurier, 1956