Dieter's Klavierseiten

Datenarchiv des Klavierbaus

Munck, Ernst

Pianofortefabrik in Gotha, 1857 -1905

Ernst Munck, geboren am 11. Februar 1827, war der zweitjüngste Sohn des Hofkunst- schreiners Wilhelm Munck in Gotha. Nach dem Besuche des Gymnasiums sowie dem Erlernen des väterlichen Berufes begann er Ende der vierziger Jahre mit dem Klavierbau. Zunächst in Wien bei Seuffert, später in Paris bei Kriegelstein und Herz. Selbständig wurde E. Munck 1857 in Gotha unter „äußerst schwierigen Verhältnissen“. Nach seinen Pianinos und Flügeln fragte man „im ganzen Thüringer Land“. Der Landesfürst ernannte ihn zum Hofpianofabrikanten. Schon 1883 bot er seine „prämiirten Concert- und Stutzflügel, sowie Pianinos in vier verschiedenen Größen“ an. „… Sämmtliche Instrumente sind mit den zuver-lässigsten und dauerhaftesten Pariser Mechaniken versehen…“ Immerhin wurden zehn verschiedene Piano- und Flügelmodelle gebaut.

1893 gab er sein Geschäft in die Hände seines ältesten Sohnes Ernst Munck jun., der „früher Tonregulirer bei Steinway & Sons“ war. Er erhielt den Titel eines „Herzogl. Sächs. Hoflieferant“.

Die Munck’schen Instrumente wurden 1894 auf der Erfurter Industrieausstellung mit einer Gold- und Silbermedaille bedacht. Wesentliche Erweiterungen der Fabrikgebäude erfolgten kurz vor und nach der Jahrhundertwende. Das neue, dreistöckige „Fabriketablissements“ auf der Oststraße wurde bereits mit „Centralheizung“ versehen.

Am 22. Juli 1902 starb Ernst Munck sen. im Alter von 75 Jahren.

 

Munck, Ernst

Die Instrumente wurden in „alle Weltteile“ versandt, der größte Teil nach England. Immerhin, die Reklame stand den heutigen nicht nach:
„Ernst Munck, Gotha, deren Flügel und Pianos nach dem einstimmigen Urteile der bedeutendsten Klavier-Virtuosen bei unbestrittener Preiswürdigkeit und Dauerhaftigkeit den teuersten Marken ebenbürtig zur Seite stehen . . .“
1905 verkaufte E. Munck jun. die Pianofabrik an die „Steck Piano G.m.b.H.“

Im Handelsregister Gotha wurde eingetragen:
“ . . . Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von Musikinstrumenten und Zubehören jeder Art, insbesondere der sogenannten Steck-Pianos und Steck-Flügel, sowie ferner automatischer Waren jeder Art . . . Geschäftsführer ist der Kaufmann Frank William Hessin in Schönberg bei Berlin. Der Gesellschafter Frank William Hessin bringt in die Gesellschaft ein als seine Einlage die ihm gegenüber dem Hofpianofabrikanten Ernst Munck in Gotha zustehenden Rechte auf Übertrag folgender Vermögensobjekte, als:
1) des zu Gotha gelegenen Fabrikgrundstücks des Ernst Munck mit allen Gebäuden, Baulichkeiten nebst Zubehör im Reinwerte von . . .
2) . . . Maschinen . . .
3) . . . Waren und Materialien . . .“

Herr Frank W. Hessin war um diese Zeit Inhaber der „Aeolian Co.mbH“ Pianolas, Generalagentur der Choralion Co. in Berlin. E. Munck blieb in der Gesellschaft als Direktor.
Durchaus fortschrittlich wurde 1906 dem Wunsch der etwa 200 Arbeiter entsprochen, die Arbeitszeit von bisher neun 1/2 auf neun Stunden zu kürzen. Natürlich mußte erst die Direktion mit den Gesellschaftern in England Rücksprache nehmen. Dennoch wurde dem Vorschlag zugestimmt, allerdings unter Wegfall der Frühstückspause. „Es ist dem Personal gestattet, unter der Hand bei der Arbeit etwas zu essen, jedoch dürfen die Arbeitsplätze nicht … verlassen werden.“
Das Ganze bedeutete aber auch für die Fabrikleitung „eine beträchtliche Kostenersparnis von Licht und Heizung im Winterhalbjahr und für die Arbeiterschaft bei der sauberen Arbeit … einen Vorteil für die Augen.“

Großes Ereignis am 17. März 1910:

„Der Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha nebst Gemahlin“ besuchten die Pianofabrik. „Unter Führung des Herrn Direktors Munck unternahmen die Herrschaften einen Rundgang durch die verschiedenen Abteilungen der mit allen modernen Errungenschaften versehenen Anlage und bekundeten für alle Einzelheiten der Fabrikation das lebhafteste Interesse.
(Eine Eigenart, die man bei hochgestellte Persönlichkeiten bis heute beobachten kann. Anm.d. Verf. )
Nach beinahe dreistündigem Aufenthalt im Betriebe, währenddessen von den etwa 500 beschäftigten Personen eine große Anzahl durch persönliche Ansprachen geehrt wurden, kehrten die höchsten Herrschaften, in deren Begleitung sich die Hofdame Freiin von Thüna und Herr Major Freiherr v. Wangenheim befanden, offenbar hochbefriedigt von dem Gesehenen nach dem Schloß Friedenstein zurück“

Eine 1910 erschienene Anzeige läßt darauf schließen, daß der Name „Steck-Pianos“ erst ab dieser Zeit verwendet wurde.
Noch im Jahre 1910 wurde in Erfurt, Neuwerkstraße 20, eine Zweigniederlassung der Steck-Piano-Gesellschaft mbH eröffnet.
Die Anzeigen der „Steck-Pianos“ vergrößerten sich. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg erschien die Reklame:
„Pianos Steck Flügel – mit oder ohne Pianola=Einbau
1. Fabrik: New York – 2. Fabrik: Gotha Thür.
gegr. 1857 durch G. Steck gegr. 1857 durch E. Munck, Niederlagen in Gotha und Erfurt“

Im Juli 1915 wurde die „Steck-Piano-Gesellschaft mbH . . . als Zweigunternehmen der englischen Gesellschaft „The Orchestrelle Co.“, London, unter staatliche Aufsicht gestellt.“
Während vor dem Krieg 500 Arbeiter beschäftigt waren (die knappe Hälfte der bei Bechstein, Berlin um diese Zeit Beschäftigten), folgten vier Monate Streik, bei Kriegsausbruch ruhte der Betrieb, anschließend konnten nur vier bis acht, mitunter auch 30 Mann beschäftigt werden. Die Generaldirektion mit Sitz in London verbot zu arbeiten, solange kein Frieden ausgehandelt wurde. Nachher sollte eine Kommission entscheiden, ob im Betrieb überhaupt weiter produziert werden soll. Da die Fabrik aber von der Muttergesellschaft in Amerika abhängig war, mußte ihre Entscheidung abgewartet werden. Außerdem fehlte es an den nötigen Kohlen, ca. 6 – 7 Waggons waren monatlich nötig.
Unter einer weiteren Folge des Krieges hatte das Unternehmen zu leiden: Für die Gründung einer Genossenschaft für Möbel- und Hausratshilfe für das Herzogtum Coburg wurde dringend Holz benötigt. U.a. wurden 1918 „die alten trockenen Holzbestände der Steck-Pianogesellschaft zu diesem Zwecke beschlagnahmt.“
Im Oktober 1924 erfolgte der Verkauf des Grundstückes „mit dem umfangreichen, mustergültig eingerichteten Fabriketablissement“ der Steck-Piano G.m.b.H.

„. . . hat die Ludwig Hupfeld A.-G., in Böhlitz-Ehrenberg b. Leipzig, die Steck-Piano-Fabrik in Gotha käuflich erworben. Hierdurch ist ihr die Möglichkeit gegeben, in der Steck-Fabrik, die zu den größten und modernst eingerichteten Pianofortefabriken Deutschlands zählt, gute Klaviere in billigster Preislage – mit und ohne Phonola-Einbau – durch großzügige Serienfabrikation, welche demnächst aufgenommen wird, bis zu
6000 Stück pro Jahr herzustellen. Das Klavier wird unter dem Namen Hupfeld-Gotha herausgebracht werden, da die Firma Hupfeld nur die Fabrikanlage, nicht aber auch Firma und Marke Steck erworben hat.“
Ein „Spezialpianino von tadelloser Qualität zu zivilem Preis“ sollte gebaut werden, und man hoffte, „die frühere Anzahl von Arbeitern wieder beschäftigen zu können…“
Zu diesem großen Aufschwung kam es nicht mehr, Hupfeld geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Produktion in Gotha wurde eingestellt, nur „. . . ein leeres Fabrikgebäude mit einem Hausmann und einem Nachtwächter“ blieben.

Die wichtigste Mitteilung vom Juli 1928:
„Verkauf einer bekannten Fabrikanlage . . . , ist es der Firma Leipziger Pianoforte- und Phonolafabriken Hupfeld-Gebr. Zimmermann A.-G. in Leipzig gelungen, das bei der Fusion beider Gesellschaften in ihren Besitz übergegangene Fabrikgrundstück in Gotha günstig zu verkaufen. Es handelt sich um das ehemalige Eigentum der Steck-Piano-Gesellschaft, die es später an die Ludwig Hupfeld A.-G. veräußerte. Diese baute in der modern eingerichteten Fabrik ein neues Klavier unter dem Namen „Hupfeld-Gotha“ in billiger Preislage, doch wurde der Betrieb, ehe er noch voll zur Entfaltung gekommen war, im Jahre 1926 stillgelegt. Durch den nunmehrigen Verkauf an eine thüringische Kortonnagenfabrik scheidet die Gothaer Fabrikanlage (18 000 qm, davon 5 000 qm bebaut) endgültig aus dem Kreise der Produktionsstätten unserer Branche aus.“

Manche Eintragung im Handelsregister läßt mitunter Jahre auf sich warten. So auch hier, erst im März 1930 erfolgte bei der Firma Steck-Piano-Gesellschaft mbH in Gotha die Eintragung im Handelsregister: „Der Sitz der Gesellschaft ist von Gotha nach Berlin verlegt.. . .“

Anhang
Kurzzeitig existieren in Gotha folgende Pianofabriken:
1886: Armbruster, Ed., Mönchelgasse 19
ca. 1929 bis ca. 1936: Küchler & Pfestdorf, Cosmarstr. 11 (auch Kügler geschrieben)
1929 bis ca. 1934/35: Emil Richter, Mohrenstr. 17

Außerdem:
In Gotha wurde der berühmte Carl Friedrich Wilhelm Bechstein am 1. Juni 1826 geboren

Quellen:
Weltadreßbücher der Musikinstrumenten-Industrie, Verlag Paul de Wit, Leipzig (1886 – 1929)
Zeitschrift für Instrumentenbau, Verlag Paul de Wit, Leipzig (1896 – 1944)