Olbrich, Wilhelm

Pianofortemagazin, Pianofabrik in Glatz, 1882 – 1945
Neuburg an der Donau, 1946 – Gegenwart

Glatz, jetzige polnische Stadt Klodzko, wer kennt sie – noch? Kreisstadt und Mittelpunkt des Glatzer Bergkessels, gelegen an der Glatzer Neiße, ältester geschichtlich bezeugter Ort Schlesiens, Stadtgründung 981. Die Stadt wird überragt von der alten Festung. Die Stadt besitzt außer zahlreichen Verwaltungsbehörden viele kleine industrielle Unternehmen. Durch die Kriegsereignisse hat die Stadt nicht gelitten, wohl aber durch die Verwahrlosung nach dem Krieg. Die Einwohnerzahl stieg von 22.000 vor dem Krieg auf 28.000 im Jahre 1975.

Kennt jemand „Piano-Olbrich“ in Glatz? In einem Katalog vom Jahre 2001 sind Geschäftshäuser und Ausstellungsräume ganzseitig zur sehen: „Pianofortefabrik W. Olbrich u. Co. Glatz“.

Der Gründer Wilhelm Olbrich, Musiker und Instrumentenbauer, richtete in Oberhannsdorf und später in Glatz eine Reparaturwerkstatt ein für Klaviere und Orchestrions. Mit seinem absoluten Gehör war er ein gesuchter Klavierstimmer „von unermüdlicher Schaffenskraft, peinlichster Pflichterfüllung gegenüber jedem Kunden“.

Olbrich

Erste Nachweise in der „Zeitschrift für Instrumentenbau“ finden sich 1897:
„Herr W. Olbrich, Pianohändler in Glatz (O.-Hanndorf), hat vor Kurzem Herrn Herm. Fiedler als Theilhaber in sein Geschäft aufgenommen. Die Firma lautet jetzt

W i l h e l m O l b r i c h & C o. und beschäftigt sich nunmehr in vergrößertem Maßstabe mit dem Verkaufe von Pianinos, Flügeln, Harmoniums und allen mechanischen Musikwerken, sowie mit dem Vertriebe von Nähmaschinen. Die genannte Firma hat in Münsterberg i. Sch. eine Filiale.“
1904 erfolgte eine Erweiterung durch die Übernahme der Adler-Vertretung und Bürobedarf für die Grafschaft Glatz. Ein Vorteil, wie es sich kurze Zeit später herausstellte, die schweren Kriegszeiten wurden gut überstanden.
Schon 16-jährig fuhr Paul Olbrich mit einem Fabrikanten zur Leipziger Messe, kaufte Klaviere ein und übernahm weitere Vertretungen bekannter Firmen.

Olbrich

Das Jahr 1913 wurde sehr bewegt, zunächst starb Hermann Fiedler und sehr kurze Zeit später der Gründer der Firma im Alter von 55 Jahren. Die Witwe führte „das von ihrem verstorbenen Gatten betriebene Pianoforte-Magazin mit Reparatur-Werkstatt W. Olbrich & Co. in Glatz unter derselben Firma in unveränderter Weise und unter der bewährten Leitung ihres Sohnes Paul weiter“. Sohn Paul heiratete auch in diesem Jahr.

Firma „Steinway & Sons“ in „Hamburg und New York hat die Alleinvertretung ihrer Fabrikate für Glatz und Umgebung“ der Firma W. Olbrich & Co. übertragen.
1922 wurde in Reichenbach (in Schlesien) ein „repräsentative Verkaufsfiliale“ eröffnet, die „mit zu den schönsten Geschäften dieser Art weit und breit gerechnet werden kann. Der Inhaber, Herr Olbrich, hat weder Mühe noch Kosten gescheut, um das alte vornehme Haus mit seiner interessanten Fassade zu einer wirklichen Sehenswürdigkeit umzubauen. Durch mächtige Säulenvorbauten, die von unten bis zur Dachleiste reichen, hat der Giebel etwas Großzügiges, man möchte sagen Himmelanstrebendes bekommen. … die Ausstattung der Innenräume läßt gleichfalls nichts zu wünschen übrig und befriedigt selbst den verwöhntesten Geschmack“.

Olbrich

1925 wurde die „von Kopenhagen und Moskau nach Glatz verlegte Klavierfabrik Th. Dettlaff & Co. käuflich erworben“. Klaviere wurden nun nach Brasilien, Litauen, Norwegen, Palästina, Sizilien, Spanien und Südwest-Afrika exportiert.
In weiteren größeren Städten wurden Vertretungen eingerichtet. „Piano-Olbrich“ wurde das „bedeutendste Piano-Haus im (damaligen) Ostdeutschland“. Olbrich selbst vertrat bekannte Firmen, z. B. „Steinway & Sons“, „Bechstein“, „Blüthner“, „Schiedmayer & Söhne“ und „Seiler“.
Dem Geschäfte schien es ja gut zu gehen, die Zoo-Lotterie in Breslau bot als 1. Preis ein Olbrich-Klavier unter dem Motto: „Kauf’ste das Los bei mir, gewinn’ste das Olbrich-Klavier“.

Olbrich

Die Johannisnacht 1929 – ein besonderes Ereignis. Nach dem Muster „der Amerikaner, welche ihre verbrauchten Autos vernichten, damit sie nicht mehr ‚aufgewärmt‘ zu werden brauchen und dadurch den Verkauf neuer Wagen beeinträchtigen“, stellten alljährlich verschiedene Vereine „auf den Glatzer Bergen eine Anzahl alter Klaviere als Brennmaterial zu Verfügung“. Auch „W. Olbrich & Co. folgte dem alten Brauch. „Das letzte Lied in der Johannisnacht 1929“ erschien als stimmungsvoller Bericht im „Gebirgsboten“:
„Schwül und regenschwer was die diesjährige Johannisnacht aus den dunklen Bergwäldern herabgestiegen,
und als sie mit ihren dunklen Fittichen anfing, das Neißetal um die alte Feste Glatz zuzudecken,
wanderten viele Glatzer hinauf zum althergebrachten Johannisfeuer auf den Schäferberg.
– – – Sonnenwende in trüber, dunkler Zeit! Wer hofft nicht, daß es endlich besser werden möchte? – – – Fast lautlos umstand die Menge den großen Scheiterhaufen und wartete. Als drüben auf den Bergen die hellen Johannisfeuer aufloderten, legte man auch hier die Brände unter, und bald sprangen mächtige Flammen gegen den mächtigen, feuchten Himmel. Brausend und sprühend sangen sie das Lied vom Werden und Vergehen.Und mitten hinein klang ein eigentümlich Saitenspiel, das noch niemand gehört hatte.
Die Menschen lauschten, und alle wollten es hören … Jemand berichtete. Drüben im Feuer sterben vier alte Flügel. – Piano-Olbrich hat sie dem Feuertode überantwortet, nachdem sie mit den Menschen in Treue und Geduld viel Freud‘ und Leid getragen, sind sie übrig geworden, und ihr alt verrostetes Saitenspiel ist kein Wohllaut mehr für unsere Tage. – – – Wie große Geisterharfen stehen sie in den zehrenden Flammen. Noch einmal durchglüht sie echte Begeisterung. Brennende Kloben fallen von den darüber hangenden Balken auf sie herab. Ein gequälter sonderbarer Akkord hallt herüber, wie ihn die Menschen noch nie gehört haben; dann springen die Saiten mit argem Mißklang.
Das Lied ist aus! – – –

Die Johannisnacht verglimmt und verbirgt sich in der dunklen, bangen Zukunft, die uns den kommenden Tag verhüllt“.

Olbrich

1932 feierte die „weit über Schlesien hinaus bestens bekannte und geschätzte Pianohandlung und Fabrik … das 50jährige Geschäftsjubiläum. Dienst am Kunden – wird bei der Firma Olbrich in sehr großzügiger Weise getrieben. Die Tatsache, vereint mit Fleiß, Tüchtigkeit und Eifer, haben es mit sich gebracht, daß die Firma Olbrich nach 50jährigem Bestehen auf heutiger Höhe steht. Neben einem guten, auch in Großstädten selten anzutreffenden Lager von neuen Instrumenten besitzt die Firma Olbrich einen großen Bestand an Mietklavieren. Auch hier hat die Firma Olbrich stets Wert auf Qualität gelegt, so daß 2/3 aller Mietinstrumente ausgesprochene erste Markenfabrikate sind. … Auch sonst ist die Firma … auf der Höhe; bei einem kürzlich in Glatz veranstalteten Wettbewerb erhielt sie zwei Erste Preise (2 goldene Medaillen)“. Zu der großen Kundenliste gehörten Prinz Friedrich Wilhelm, Prinz Heinrich, Prinz Joachim von Preußen, Fürst von Pleß usw.

Olbrich

„Die dritte Generation … wächst heran. Der älteste Sohn Helmut Olbrich (vermutl. ist Wilhelm Olbrich jun. gemeint) soll natürlich ebenfalls ein tüchtiger Klaviermacher werden und befindet sich z. Z. zur Ausbildung in die Pianofabrik H. Wolfframm in Dresden“.

Bis 1943 wurde produziert, weiterhin aber bestand der Reparaturbetrieb. 12 bis 16 Arbeiter waren angestellt. Insgesamt wurden ca. 7000 Instrumente hergestellt.

Olbrich

Wilhelm Olbrich (jun.) kam 1946 aus der Gefangenschaft nach Neuburg an der Donau, er erhielt einen kleinen Laden und eine große Werkstatt zugewiesen und begann sofort mit dem Aufbau.

Oktober 1947 wurden Franz und Käte Olbrich aus ihrer Glatzer Heimat entschädigungslos vertrieben. Nach vielen Irrwegen erhielten sie Zuzugsgenehmigung zu ihrem Bruder Wilhelm in Neuburg an der Donau. Frühere Mitarbeiter aus Glatz halfen bei der vielen Arbeit in der Werkstatt. 1969 erfolgte der Spatenstich für den Neubau in Unterhausen bei Neuburg a. d. Donau. Nach dem Umzug wurden im Klaviersalon Instrumente bekannten Marken ausgestellt und verkauft und eine gut eingerichtete Reparaturwerkstatt angeschlossen.

Der Ur-Ur-Enkel des Gründers, Thomas Olbrich, begann 1975 sein Lehre als Klavierbauer, Klavierbaumeister. Er führt das Geschäft weiter im Sinne des deutschen liberalen Kulturpolitiker und Schriftsteller Berthold Auerbach, (1812-1882), – im Sinne des Gründers, – im Sinne seines Großvaters, der im Jahre 2000 starb:

„Musik allein ist Weltsprache. Mit ihr spricht Seele zu Seele“.

veröffentlicht im „Europiano“ 2002/3