Ascherberg, Emil

Pianofortefabrik in Dresden, 1877 – 1883

Um ein Bild von Ascherberg entstehen zu lassen, müssen verschiedensten Quellen „gehört“ werden.

Dresdner Adressbücher:
1877 – Ascherberg, Emil; Instrumenten-Verfertiger für Pianoforte.
Im ersten Jahr seiner Tätigkeit lässt er sich seine Erfindung (Patent Nr. 3445) – Vorrichtung zur Tonverlängerung an Pianinos – landesrechtlich patentieren.

Zwei Dresdner Zeitungen berichteten 1877 begeistert von einem Konzert mit einem Bechstein- und einem Ascherberg-Flügel:
„Prächtig und charakteristisch duettirend mischte sich unter der Behandlung der Spieler der Klang der beiden Flügel von C. Bechstein und E. Ascherberg, dieser letztere kernig, klar, im Bass dominirend, kraftvoll im Ton. – Dem Flügel von E. Ascherberg konnten die siegreichsten und wichtigsten Tonmassen des Spielers nichts anhaben, er blieb rein, klar und tonschön bis zuletzt, und bewährte sein Recht als Concertinstrument neben dem prachtvollen Bechstein, auf’s Evidenteste“. (lieveverbeeck)

Ascherberg

1878 erhielt Ascherberg den Titel des Hoflieferanten S. H. des Herzogs zu Sachsen-Koburg-Gotha.
Eine Beschreibung eines Konzertflügel:
„Der Concertflügel … besitzt eine seltene Ausgeglichenheit der ganzen Scala, von den imponirenden Bässen bis zum krystallklaren und dabei süssen Klang der höheren Octaven. Trotzdem er nur halb geöffnet war, hörte man das leiseste Pianissimo mit absoluter Deutlichkeit“. (lieveverbeeck)

Weitere Zitate zu E. Ascherberg-Instrumenten:
„Der Concertflügel … zeichnete sich durch vorzügliche Ausgeglichenheit in allen Octaven, Noblesse und Fülle des Tones aus. – Der neue, dem Spieler für die feinsten Klangfärbungen gehorsame Ascherbergsche Flügel übertraf den in der vorigen Saison benutzten an ausgiebiger Kraft, an Schönheit und Brillanz des Tones. – Wie seine Ornamentik von höchster Klarheit und Sauberkeit, ist sein Forte mächtig … – Der Ascherberg’sche Flügel unterstützte die Spielerin durch prächtige, volle und gesangreiche Klangwirkung, präciseste und klare Tonansprache; er zählt zu den schönsten Concertflügeln, die wir an dieser Stelle im Laufe der Jahre hörten. – Der prächtige klangvolle Ascherberg’sche Flügel gehorchte auf’s Willigste den feinsten Intentionen seiner Meisterin. – Das königliche Hoftheater hat nunmehr die nöthige Neubeschaffung eines angemessenen Claviers bewirkt und ein sehr klangreiches Pianino aus der hiesigen Fabrik von E. Ascherberg erworben“. (lieveverbeeck)

Ascherberg

Zur Ausstellung 1881 in Halle war ein Salon-Flügel und drei Pianinos zu sehen; die Rezension:
„Von eleganter sorgfältiger Arbeit zeugen die Ausstellungsobjecte von Emil Ascherberg in Dresden. Sauberer Eisenguss, elegant in der Lackirung, mit glänzend polirter Metallplatte am Stimmstock gewähren die geöffneten Obertheile der Pianinos, durch Glasplatten gegen äussere Einflüsse geschützt, im Verein mit den Metallgestellen für die Mechanik bei geschmackvollster Ausstattung in den Details einen einladenden Anblick. Die Intonation ist recht weich gehalten, der Ton ist gesund, will aber herausgeholt sein. Ganz das nämliche in Bezug auf solide äussere Arbeit lässt sich von dem Flügel der erwähnten Firma sagen“. (Zeitschrift für Instrumentenbau)

Lange hielt der Ruhm der Ascherberger Firma nicht an.

Schon Anfang 1883 geriet die „grosse Pianoforte-Fabrik von Emil Ascherberg in Zahlungsstockung. „… weshalb heute vom hiesigen königl. Amtsgericht ein Veräusserungsverbot an Herrn Ascherberg erlassen wurde. Die Passiven werden als sehr bedeutend bezeichnet und sollen die liquiden Activen um ca. 500,000 M. übersteigen. Zur Vermeidung des gerichtlichen Concurses sind, unter Intervention der Verwandten des Firmeninhabers, Vergleichsverhandlungen mit den Gläubigern angebahnt worden. Zu den letzteren zählen mehrere hiesige und Berliner Bankfirmen“. (ZfI)
Der Bankrott von Emil Ascherberg gestaltete sich verwickelter, als man bisher annahm. „In einer gestern abgehaltenen Gläubiger-Versammlung legte der ernannte Concursmassenverwalter einen vorläufigen Status vor, der für die nicht bevorzugten Gläubiger keine erbauliche Aussicht darbot. … Auf Beschluss der Gläubigerversammlung sollen die Vorräthe aufgearbeitet werden, so dass die Pianofortefabrik einstweilen im Betriebe erhalten wird. Viel wird da allerdings nicht herausspringen“. (ZfI)

Dresdner Nachrichten im März 1883:
„Der Concurseröffnung über den ausgeklungenen Pianofortefabrikanten Emil Ascherberg in Dresden ist jetzt auch die Concurseröffnung seines nahen Verwandten Eugen Ascherberg in London gefolgt. Eugen und Emil Ascherberg arbeiteten Hand in Hand; die Höhe ihrer Schulden ist denn auch annähernd die gleiche. Betrug die Summe der Passiven des Dresdner Hauses 1,100,000 M., so beträgt die des Londoner Hauses 1,400,000 M., so dass eine Gesammtsumme von 2,500,000 M. herauskommt! Das ist schon kein Berg von Asche mehr, das ist ein wahrer Chimborasso von Schulden, Schwindel und Betrug!

Ascherberg

Eugen Ascherberg in London … hat in der letzten Zeit noch verpfändet, was zu verpfänden war, so dass die Gläubiger das leere Nachsehen haben. Denn es ist kaum zweifelhaft mehr, dass bei dem Concurs höchstens etwa 5 Prozent herauskommen Selbst wenn die Nähmaschinenfabrik von Seydel & Naumann, wie es heisst, die Ascherberg’sche Fabrik (in der jetzt nur noch 5 Leute arbeiten) kaufen, werden die Gläubiger, Bankiers wie Handwerker und Geschäftsleute, nicht viel mehr erhalten; denn diese Fabrik ist, wie bekannt, noch extra verpfändet. Die Handwerker haben nun das leere Nachsehen! Warum, so fragt man, ist denn nicht schon längst ein Steckbrief gegen den Patron erlassen worden? Unglück kann jeder Geschäftsmann haben; die besten Spekulationen können zum Unheil ausschlagen und die ehrenhaftesten Firmen haben schon ihren Concurs anmelden müssen. Wenn sie aber gutes Gewissen hätten, so blieben sie da; sie flüchteten sich nicht, sie entzogen sich nicht der Gerechtigkeit. Man bringe den Ascherberg zur Stelle und confrontire ihn mit Denen, die ihn durch Weiterempfehlungen zu einem solchen Unglücksmenschen für Hunderte gemacht haben! Der Verdacht liegt dringend nahe, dass Emil und Eugen Ascherberg viele Hunderttausende auf die Seite gebracht haben, sonst wären 2,500,000 M. Schulden, denen keine Guthaben gegenüberstehen, geradezu unerklärlich. … Der Verkauf (Ende 1883) der zur Concursmasse von Emil Ascherberg in Dresden gehörigen Vorräthe hatte am ersten Tage einige auswärtige Clavierbauer nach Dresden geführt. Die Preise waren aber so exhorbitant, dass am zweiten und den darauffolgenden Tagen der Verkauf nur localer Natur blieb und sich sogar nur auf zwei bis drei Kauflustige beschränkte. Im Durchschnitt waren die Preise, zu denen das Holz losgeschlagen wurde, bedeutend über Facturawerth. … In dem Konkursverfahren über das Vermögen des von Dresden flüchtig gewordenen Pianofortefabrikanten Emil Ascherberg soll jetzt eine Abschlagsvertheilung stattfinden. Die verfügbare Masse gestattete der Verteilung einer Quote von nur 10%. … Das Consortium, welches die frühere Ascherbersche Fabrik unter eigener Verwaltung in Dresden fortsetzen will, hat sich unter der Firma ,,Dresdener Pianofabrik“ constituirt. Die Wahl des Fabrik-Directors steht noch aus. … Aber schon einen Monat später hat sich unter dem Namen „Apollo“ eine Aktiengesellschaft in Dresden gegründet, um die Ascherberg’sche Pianofabrik wieder in Betrieb zu setzen. Für die erste Ordnung und Einrichtung hat man Herrn Oscar Laffert aus Karlsruhe als Director gewonnen“. (ZfI)

Aus London folgte Ende Dezember 1883 ein Bericht an die Zeitschrift für Instrumentenbau:
„Die letzten Fallissements von Sommerfeld …, Hund … und Steinmetz … haben dem Handel mit dem billigen deutschen Kram einen empfindlichen Schlag versetzt. Niemand wird aber hier deshalb trauern. Der erste Krach in diesem Geschäft war der Ascherberg’sche Bankerott. Das Land war mit Ascherberg’schen Pianos förmlich überschwemmt worden und das Geschäft in wohlfeiler deutscher Waare hat sich seitdem nie wieder erholen können. Hund war Piano-Importeur, während Steinmetz auch selbst fabrizirte. … Schon vor längerer Zeit, kurz nach dem Ascherberg’schen Krach, ahnte man, dass verschiedene Firmen ihre Zahlungen einstellen würden, und man hat sich, wie die Folge bewiesen, nicht getäuscht. Es werden wohl auch noch ein oder mehrere Bankrotte folgen, ehe der Boden, auf dem das solide Geschäft weiter arbeiten kann, gereinigt ist.
Fabrikanten können gerade jetzt nicht genug gewarnt werden, vorsichtig mit neuen Geschäftsverbindungen zu sein. Es giebt leider am hiesigen Platze eine Menge Leute, die zwar kein Kapital, aber desto mehr Unverschämtheit besitzen und stets bereit sind, irgend welche Agentur zu übernehmen. Nicht genug, dass der Fabrikant schließlich durch den Bankerott eines solchen Herrn sein Geld verliert, so verliert obendrein seine Waare noch den Credit im Lande.
Wenn der Markt erst von der billigen deutschen Waare aus Berlin und Sachsen gesäubert sein wird, dann wird es auf jeden Fall besser werden. Für die soliden deutschen Fabrikanten, die nur gediegene Fabrikate liefern, werden schließlich, wenn die billigen Concurrenten verschwunden sind, die Aussichten um so günstiger und der Absatz wird um ein Beträchtliches stärker werden“. (ZfI)

Anfang des Jahres 1884 hatte sich Emil Ascherberg in Kopenhagen niedergelassen und betrieb dort einen Handel mit Töpfen.

Mitte des Jahres 1884 erschien in London in der Zeitung für Pianofortefabrikanten ein besonders für Dresdner interessanter Artikel:
„Wir sind so glücklich zu erfahren, dass Eugen Ascherberg (der frühere Compagnon und Bruder unseres unsichtbar gewordenen „tonsüssen Emil“ in London seinen Bankerott mit seinen Kreditoren geordnet hat. Herr Eugen Ascherberg, der ein feiner (?) Musiker ist, lässt nun wieder von Neuem Flügel und Pianos in einer anderen Fabrik Dresden’s unter der Aufsicht seines dortigen Bruders Max Ascherberg anfertigen und hofft im Juni oder Juli noch feinere Claviere zu exportiren als diejenigen, die früher unter seiner Direction gebaut wurden.“ — Nun da haben wir´s ja! Falls sich nun Herr Max Ascherberg ebenfalls wieder der Protection eines Musikalienhändlers zu erfreuen hätte, so könnte es sich ja leicht ereignen, dass in kurzer Zelt wieder hier in Dresden eine grosse Pianofabrik mit elektrischer Beleuchtung wie ein Phönix sich aus einem Ascherberge erhebe. Darauf warten wir doch schon lange“! (ZfI)

Ascherberg

Der Bruder von Emil Ascherberg, Eugen Ascherberg (* Dresden, 1843; London, 28. Mai 1908) etablierte sich seit 1882 in London als „Musikalien-Verleger und -Händler: Ascherberg & Co., E.“, die bereits seid 1857 bestand. Deren Nachfolgefirma „Ascherberg, Sigwood & Crew“, bezeichnet sich ab 1909 als Pianofabrik und bis 1914 als „Ascherberg Hopwood & Crew“. Angekündigt wurde das Erscheinen der Ascherberg-Pianos als übertroffene Instrumente.
Allerdings „können aber diese Pianos mit den früheren Ascherberg-Pianos rechtmässig keine Beziehungen geltend machen. Das Etablissement Emil Ascherberg in Dresden mit allen Vorräthen, Einrichtungen, Modellen und dem Stamm der eingerichteten Leute ist an die Pianofortefabrik Apollo übergegangen und die liefert nichts an E. Ascherberg & Co. Auf welches Mannes Feld die neuen Ascherberger aber gebaut werden, ist noch Geheimnis“. (ZfI)

„Der Bruder des einstigen Dresdener Pianofabrikanten Emil Ascherberg, Herr Max Ascherberg, hat Ende Januar 1886 in San Francisco in Californien ein trübseliges Ende gefunden. Man schickt uns von dort die Mitteilung vom 28. Dec. 1885. Dort heisst es: Max Ascherberg, 40 Jahre alt, aus Sachsen gebürtig, der sich in San Francisco vergiftete, kam im Mai aus Australien zu uns. Er war damals Vertreter einer Dresdener Firma. Ascherberg sammelte nun für diese Firma in Australien und Californien fällige Gelder ein. Er war ein übermässiger Lebemann und soll von den gesammelten Geldern einen grossen Theil zum eigenen Verbrauche verwendet haben. Da er sich gut auf Musik verstand, erhielt er bei dem Piano-fortehändler Gray in San Francisco eine Anstellung. Seine ausschweifenden Gewohnheiten traten aber auch hier wieder zu Tage und Herr Gray liess ihn verhaften, da er auch bei ihm Gelder veruntreut hatte. Um der ihm drohenden Strafe zu entgehen, griff Ascherberg eines Sonnabend Abends zum Gift und beendete so sein höchst abenteuerliches Leben“. (ZfI)
Das war Ascherberg, was ist außer einem Berg „Asche“ von ihm geblieben?

Ascherberg

Lodert aus dem Ascherberg doch noch ein Feuer auf?
1893 lässt ein Artikel aus „Illustriertes London und seine Vertreter des Handels“ aufhorchen:
„HERR. E. ASCHERBERG & CO., KLAVIERHERSTELLER UND MUSIKVERLAG, 46, BERNERS STREET, W. – Das oben genannte bemerkenswerte Geschäft wurde 1870 gegründet, zunächst in der City und später in der Regent Street. Vor kurzem verlegte die Firma ihren Hauptsitz in die größeren und geräumigeren Räumlichkeiten, die sie jetzt in der Berner Straße bewohnen. Die Ausstellungsräume hier haben gehobenen Charakter und bieten die Möglichkeit, einen prächtigen Bestand an Hammerklavieren der renommierten Marke „Ascherberg“ zur Schau zu stellen. Diese werden in „Cottage“- und „Grand“-Stilen in neun verschiedenen Modellen gezeigt, und die Instrumente wurden von vielen bedeutenden Autoritäten als „die Essenz und der Inbegriff von allem, was in den Produktionen von Klang, Gut und Wahr ist“ anerkannt. Viele angesehene Musiker und Virtuosen, haben die „Ascherberg“-Klaviere hoch gelobt. … Darüber hinaus wurden die „Ascherberg“-Klaviere wiederholt von den führenden Pianisten der Zeit bei den Montags-Volkskonzerten eingesetzt … und bei allen bedeutenden Konzert- und Ausbildungsinstituten des Kontinents. Sie sind im Wesentlichen hochwertige Klaviere zu einem vernünftigen Preis, und als solche haben sie nur wenige Konkurrenten und keinen Überlegenen. Das Werk der Herren Ascherberg ist einer der bedeutendsten Industriebetriebe in Deutschland. Als Musikverleger sind auch die Herren E. Ascherberg & Co. weithin bekannt, und diese Sparte hat sehr große Ausmaße angenommen. … Das Handwerk der Herren Ascherberg ist weit verbreitet, und ihre Verbindung in Musikkreisen im In- und Ausland ist ebenso umfangreich wie einflussreich. Herr E. Ascherberg, der alleinige Direktor, leitet das Geschäft persönlich, und seiner Energie und seinem gesunden Urteilsvermögen sind der bemerkenswerte Erfolg und die Weiterentwicklung zu verdanken“. (lieveverbeeck)

Kommentar überflüssig!