Pianofortefabrik in Heilbronn, 1873 – 1987
„Die Firmengeschichte beginnt am 23. April 1871 mit Ankauf der Firma Gebr. Kulmbach durch Valentin Berdux und Michael Lechleiter“. (4)
Michael Lechleiter, geboren am 26. November 1837 zu Oy (Bayern), kam „1853 zu einem Schreiner in die Lehre und arbeitete nach der 1856 beendeten Lehrzeit in verschiedenen Tischlerwerkstätten Deutschlands und der Schweiz. Im Jahre 1862 ging er nach Paris, wo er bei Erard & Gaveau arbeitete und sich gründliche Kenntnisse in der Pianofabrikation erwarb.
Bei Ausbruch des deutsch-französischen Krieges im Jahre 1870 ausgewiesen, ging er nach Stuttgart und trat bei Lipp in Arbeit. Im nächsten Jahre siedelte er nach Heilbronn über und kaufte hier mit V. Berdux zusammen das Kulmbach’sche Geschäft, um es unter der Firma Berdux & Lechleiter weiterzuführen. Beide trennten sich aber wieder, und im Jahre 1873 gründete Lechleiter dann mit Adolf Uebel in einem Mietshause die Firma Uebel & Lechleiter. … Von diesem Zeitpunkte an nahm das Geschäft einen stetigen Aufschwung, so daß man sich im Jahre 1879 entschloß, eine Fabrik größeren Stiles zu bauen. … Die ersten Instrumente, die gebaut wurden, waren gradsaitig, denen später schrägsaitige und dann kreuzsaitige Pianinos folgten.“. (1)
„Carl Friedrich Adolf Uebel wurde 1847 oder 1849 als Sohn von Carl Uebel geboren“. (4)
Zur Colonial-Ausstellung 1883 in Amsterdam stellte Uebel & Lechleiter vier Pianinos aus und erhielt eine Silberne Medaille: für „ein gediegenes und billiges, wenn auch etwas geringeres Fabrikat“.
„Adolf Uebel tritt 1886 aus und übernimmt am 1. Dez. 1887 die Pianohandlung O. Alffermann in Baden-Baden“. (4)
„Michael Lechleiter setzt das Geschäft ohne Änderung der Firma als Alleininhaber fort, unter seiner umsichtigen Leitung entwickelte sich das Geschäft immer mehr“. (1)
1888 zeigte die Firma zur Weltausstellung in Melbourne zwar 2 Pianos, aber die Prämierung blieb aus oder wurde nicht erwähnt.
Ebenso auf der Kunstgewerbe Ausstellung in München 1888, zu sehen war ein „Pianino in reichem Renaissancestyl (Eichenholz) nebst Stuhl, beides auf ein Podium gestellt, das durch Säulen (mit Ketten verbunden) eingefasst wird“. (1) Selbst Säulen und Ketten erbrachten keine Prämierung.
In die Firma ist 1889 der Kaufmann Karl Hentges als Teilhaber eingetreten und in das Gesellschaftsregister eingetragen. „Sie verlegen Kontor und Handlung nach Rosskampfstraße 13, die Fabrik bleibt in Mozartstraße 16“. (4)
1892 folgte die Ausstellung in Wien: „Ein Pianino, 7 Octaven, kreuzsaitig in Gußeisenrahmen, die Stimmnagelfelder mit rothbronzirtem Walzblech belegt, Mechanik mit Unterdämpfung; der Kasten schön in Renaissance entworfen und in alt Eiche mit reicher Schnitzerei ausgeführt. — Ein Pianino, … das Gehäuse in Rococo, nußmatt mit blanken Nußmaserfüllungen, vergoldeten Gravirungen und reicher Schnitzarbeit versehen. — Beide Instrumente sind innerlich und äußerlich mit vielem Fleiß und Verständniß gearbeitet. Der Ton ist schön und ausgeglichen, die Spielart etwas tief, aber dafür sehr exakt und leicht. … Eine Erfindung dieser Firma: Ein im oberen Deckel befindlicher, äußerlich unsichtbarer Resonanz-Notenbehälter“. (1)
1895 zeigte die Firma zur Ausstellung in Amsterdam: „.. mit drei Pianinos, zwei in Nußbaum und eines in schwarz. Man kann hier recht gut sehen, wie verschiedenartig der Geschmack der Menschen ist, dem der Fabrikant Rechnung tragen muß. Das schwarze, sehr hohe Pianino mit Goldgravirungen zeigt in der Mittelfüllung Spiegelglas, bunt bemalt mit rothen Blumen und Grün. Der Aufsatz ist ebenso gehalten. Eine ganz eigenartige Ausstattung, die unserem Geschmacke gerade nicht Zusagen will, aber doch ihre Liebhaber haben muß. Das zweite Pianino in hellem Nußbaum und im Rococostyle, mit prachtvoller Mittelfüllung, verdient ob seiner Kastenarbeit höchstes Lob. Der Ton ist sehr gut, die Spielart leicht und angenehm. Das dritte Instrument, in Nußbaum mit Goldgravirung, ist ein gleich gutes Fabrikat. Als etwas Neues finden wir hier einen Notenkasten, der oben am Pianino in drei Abtheilungen in der Breite des ganzen Instrumentes angebracht ist. Durch Drücken auf einen Knopf springt der Kasten in die Höhe, wodurch der Einblick in das Klavier frei wird. Man öffnet den Kasten da, wo die drei Abtheilungen zum Aufbewahren der Musikalien sichtbar werden“. (1) Der Erfolg: Silberne Medaille.
„Der Firma Übel & Lechleiter, … ist 1903 die Ehre zu teil geworden, den Hoflieferantentitel des Papstes Pius X. zu erhalten. Die Firma war mit dem Auftrag betraut worden, für den Vatikan ein Pianino im gotischen Kirchenstile zu liefern, das in den Gemächern des Papstes Aufstellung fand“. (1) Papst Pius X. begann 1903 sein Pontifikat mit einem Apostolischen Schreiben zur Verbesserung der Kirchenmusik. Welche besondere Ehre für Uebel-Lechleiter!
1906, Karl Hentges ist ausgeschieden, seine Stelle nahm Max Henkes (Neffe von Lechleiter) ein.
M. Lechleiter war alleiniger Inhaber bis er im Jahre 1907 seinem Sohn Eugen Edmund Jakob Lechleiter und seinem Neffen Max Henkes die Firma übergab, um sich infolge vorgerückten Alters in den Ruhestand zu begeben. Es war ihm nicht lange vergönnt, die Früchte seines arbeitsreichen Lebens zu genießen, da er schon 1. Aug. 1909 durch den Tod abgerufen wurde. (1)
Aus der Würdigung des Verstorbenen: „Von jedermann geachtet, wird sein Tod von allen, die ihm im Leben nahe standen, tief betrauert“. (1)
Eine neue Preisliste von 1913 umfasste 58 Seiten, in denen 2 Flügel- und 24 Pianino-Modelle in den verschiedenartigsten Ausstattungen und Preislagen zu sehen waren und die Bemerkung, dass fast ‚1200 Instrumente pro Jahr hergestellt wurden‘.
Zum 50-jährigen Bestehen der Firma im Jahre 1922:
Aus der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg fanden die Instrumente „ihren Weg nach allen nur denkbaren Plätzen des In- und Auslandes. Der Ausbruch des Weltkrieges brachte eine jähe Unterbrechung. Erst das Jahr 1919 bedeutete für die Pianoindustrie eine Hochkonjunktur, nachdem die alten Beziehungen zu den Überseefreunden wieder angeknüpft waren, so daß sich die Produktion wieder hob. Mit der Vergrößerung der Absatzmöglichkeit wuchs auch die Zahl der Arbeiter und sonstigen Hilfskräfte. Im Jahre 1920 war die Arbeiterzahl auf 110 gewachsen, doch mußte deren Zahl infolge ungenügender Beschäftigung auf 95 reduziert werden“. (1)
Am 13. Juli 1923 starb Adolf Uebel in Baden-Baden im Alter von 76 Jahren, „ein alter Pionier der Klavierbaukunst. … Herr Uebel war besonders in süddeutschen Fachkreisen als alter tüchtiger Fachmann bekannt und beliebt. Der Verstorbene war Gründer und früherer Inhaber der geachteten Pianofortefabrik Uebel & Lechleiter in Heilbronn. Später legte er sich ausschließlich auf den Klavierhandel. (1)
Eugen Lechleiter verließ 1931 die Firma, Richard Meyer trat als Teilhaber ein.
1932 folgte die Firmierung: „Uebel & Lechleiter G. m. b. H., … mit Geschäftsführer: Kaufmann Max Henkes und dem Klaviertechniker Richard Meyer“. (1)
1938 wieder eine neue Firmierung: „Uebel & Lechleiter, Offene Handelsgesellschaft“.
1941 löste sich die Gesellschaft auf, alleiniger Inhaber wurde Richard Meyer.
„Am 8. Aug. 1947 kann die Klavierfabrik Uebel und Lechleiter ihr 75-jähriges Geschäftsjubiläum feiern. Die Firma gehört zu den mit am schwersten vom Kriege betroffenen Unternehmen, denn der Betrieb ging am 4. Dez. 1944 in Flammen auf. Mit außergewöhnlicher Rührigkeit gingen jedoch die Inhaber, die Herren Meyer sen. und jun. an den Wiederaufbau heran und hoffen in Bälde wieder mit der Produktion in angemessenem Umfange beginnen zu können“. (2)
Zur Messe 1953 waren die gangbarsten Modelle 100 cm, mit normaler Mechanik, und Modelle 115 und 125 zu sehen.
„Uebel & Lechleiter hat (1957) dank ihrer neuaufgebauten Fabrikationsanlage erneut und erfolgreich in den Wettbewerb eingegriffen. Den bereits neubewährten Modellen von 100, 102 und 112 cm Höhe ist jetzt eine weitere Neukonstruktion zur Seite getreten, in Form eines aparten Gehäuses nach Art einer Phonotruhe mit ausschwenkbarer Klaviatur“. (2)
Richard Meyer feierte am 29. März 1957 „seinen 70. Geburtstag und gleichzeitig sein 25-jähriges Betriebsjubiläum. In der Branche ist Herr Meyer seit 1905 tätig“. (2)
„In Heilbronn verstarb am 30. Oktober 1971 im gesegneten Alter von 84 Jahren der Seniorchef von Klavierfabrik und Musikhaus Uebel & Lechleiter, Richard Meyer. Mit ihm ist eine Persönlichkeit von uns gegangen, die jahrzehntelang nicht allein das Gesicht seines Unternehmens geprägt hat, sondern ständig bereit war, auch größeren übergeordneten Aufgaben seiner Branche und des kulturellen Lebens seiner Stadt zu dienen. Richard Meyer hat nach einer fundierten Ausbildung als Klavierbauer zunächst in verschiedenen Klavierfabriken vor und nach dem Ersten Weltkrieg gearbeitet, bevor er 1932 in die Firma Uebel & Lechleiter als Teilhaber eintrat. 1939 übernahm er das Unternehmen, das einen weltweiten Ruf besaß, in eigene Hände. Bis zur völligen Zerstörung während des Krieges 1944 war es ihm möglich, die Produktion fortzuführen. Zusammen mit seinem Sohn Emil Meyer baute er nach dem Kriege den Betrieb wieder auf. 1954 war für ihn ein besonderes Jahr. Man konnte im Zentrum von Heilbronn ein modernes Musikhaus angliedern, das inzwischen zu einem kulturellen Mittelpunkt dieser industrieträchtigen Stadt geworden ist. Bis vor zwei Jahren war er noch aktiv für das Unternehmen tätig. In seinem Sohn hat er bereits seit mehreren Jahrzehnten einen adäquaten Partner“. (3)
1972 beging die Firma ihr 100-jähriges Bestehen, ein kleiner Rückblick:
„1961 kam in Talheim ein neues Werk hinzu. Hier werden nach wie vor Klaviere der Marke Uebel & Lechleiter gebaut, insgesamt zwei Modelle, in den Höhen 105 und 110 cm, entworfen von Klavierbaumeister Herold, der einen Monat vor den Jubiläumstagen unerwartet starb. An seine Stelle trat als Betriebsleiter Klavierbaumeister Weller. Während einst zur großen Blütezeit Klaviere der Marke Uebel & Lechleiter zu einem wesentlichen Teil exportiert wurden — Hauptabnahmeland war Australien —, werden die jetzt hergestellten Pianos zumeist im württembergischen Raum abgesetzt. Man ist aber dabei, den Absatz an Pianos eigener und fremder Produktion (Steinway, Grotrian-Steinway, Manthey, Grand und Bentley) durch eine bessere Repräsentation in einer Ausstellungshalle, die zur Zeit in Talheim gebaut wird, zu erhöhen. (3)
Der Betriebsleiter der Klavierfabrik Klavierbaumeister Walter Anton Herold, verstarb am 13. September 1972 im Alter von 59 Jahren.
„1987 schloss das Werk in Talheim, das Musikhaus Uebel & Lechleiter in Heilbronn bestand weiter“.
Nach einer Info von Herbert Kern, Heilbronn-Flein
Quellen:
1. Zeitschrift für Instrumentenbau
2. Instrumentenbau-Zeitung
3. Deutsche Instrumentenbau-Zeitschrift
4. Lexikon Dt. Klavierbauer, H. Henkel
Link für Seriennummern siehe: http://klavierstimmerpotsdam.de/klavierdatenbank/67-uebel-lechleiter.
Vielen Dank für die Bilder der BDK-Kollegen.