Schug & Söhne

Pianofabrik in Klingenthal, 1922 – 1956

Gab es im vogtländischen Musikwinkel Klingenthal eigentlich auch eine Pianofortefabrik, wo doch der Himmel voller Geigen, Gitarren, Zittern und Flöten hing? Eine Pianofabrik in einem Musikwinkel, zu der auch die in der Nähe gelegene Stadt Markneukirchen gehört, in welcher in der Zeit von 1893 bis 1916 nicht weniger als 15 Millionäre wohnten? Gemessen an der Einwohnerzahl war Markneukirchen in dem Musikwinkel damals die reichste Stadt Deutschlands.

Was war so kurz vor der Machtergreifung 1933 in Klingenthal los? 1932 kamen ca. 25.000 Besucher nach Klingenthal, die nur reichlich 6.000 Einwohner zählte, zum Musik- und Heimatfest.
„Musik, von jeher das Element der `klingenden Täler`, erfüllte die Festorte und Stätten. Die von auswärts eintreffenden Gäste wurden von dem 65 Mann starken Blasorchester der Orchesterschule Klingenthal begrüßt und durch die Stadt gleitet. Die deutschböhmischen Grenzvereine marschierten mit mehreren Hundert Mitgliedern mit klingendem Spiel über die deutsche Grenze. […] Wie sehr auch die böhmische Musikindustrie die Bedeutung des Klingenthaler Festes mitempfand, geht aus einem Aufsatz des bekannten Bürgermeisters Karl Fuchs in Graslitz in einer dortigen Zeitung hervor. Er sprach die Hoffnung aus, daß im Jahre 1933 ein Musikfest in Graslitz erstehen soll, das sich würdig seinen Vorgängern in Markneukirchen und Klingenthal anreihen wird“.
Auf eine ganz andere Art und Weise erlebte Jahre später die Stadt Graslitz die Verbindung mit dem vogtländischen Musikwinkel. Musikinstrumentenbauer verließen ihre Heimat und bauten neu auf, so eben auch in Graslitz, aber vor allem in dem westlichen Teil Deutschlands.

Über den Musikwinkel gäbe es Vieles und Unterschiedliches zu berichten. Interessant ist, dass es neben Geigen-, Gitarren-, Flöten-, Akkordeonbau und anderer Instrumente, eben auch eine Pianofortefabrik gab.

In einer Zeit, in der nur noch wenige Klavierfabriken neu gegründet wurden, überrascht die Meldung aus dem Jahre 1922: „Die Firma Rudolf Schug & Söhne, Zitherfabrik in Klingenthal  i. Sa., hat vor kurzem die Pianofortefabrikation aufgenommen“. Schon wenige Monate später wurde die Firmenbezeichnung geändert in

„Erste Klingenthaler Pianofortefabrik Rudolph Schug & Söhne“.
Somit sind Verwechslungen einer Zither mit einem Piano ausgeschlossen. Gezittert wurde höchsten noch am Piano vor dem Klavierunterricht.
So ganz wurde der Gedanke an die Zither nicht weggeschoben. Zur Leipziger Herbstmesse 1923 brachte die Firma, „die schon seit 25 Jahren auf dem Weltmarkt bekannt und bestens eingeführt“ ist, eine „eigenartige Neuheit […] mit ihrer Mandolinophon-Klavierzither“ zum Bestaunen. Außerdem wurde der Betrieb erweitert, eine „Abteilung für Sprechmaschinenfabrikation“ wurde angeschlossen.

Was ist eigentlich eine Mandolinophon-Klavierzither? Die Herstellerfirma Meinel & Herold aus Klingenthal gibt Auskunft:
„Auf der linken Seite spielt man die Akkorde mit einem Zitherring, die rechte doppelchörig Seite wird mit der Tastatur gespielt. Der durch die Tastatur angeschlagene federnd gelagerte Hammer springt beim Anschlag je nach Anschlag mehrmals auf den Saiten. Dadurch ergibt sich ein interessantes tremolierendes Mandolinen-ähnliches Klangbild. Die Hammerkopfeinlagen dieser Klavier-Zither sind aus Zink. Weitere Bezeichnungen dieses Instrumententypes sind auch Zitherpiano, Pianoharp und Klaviaturzither“.
(Quelle: Musikinstrumente & Design, Berlin, Herr Andre Ponath)
Für den Klavierbauer nicht mal halb so interessant, denn die Klavier-Zither besaß nur 2 Oktaven.

Ein Jahr später, wieder zur Leipziger Herbstmesse, stellte die Firma „ein reichhaltiges Sortiment ihrer Musikinstrumente“ aus. Sie bringt „diesmal besondere Qualitätsinstrumente in Pianos, auf deren Innenbau die größte Sorgfalt verwendet ist“.
Neben erstklassigen Pianos waren „Zithern, Akkordeons sowie sämtl. Musikinstrumente“ ausgestellt.

Schug

Zur nächsten Leipziger Messe im Frühjahr 1925 stellte die Pianofortefabrik „neben ihren alten Spezialitäten eine Auswahl ihrer Pianos“ aus. „Infolge ihrer Fabrikationseinrichtung ist die Firma in der Lage, alten Anforderungen ihrer Kundschaft zu entsprechen“.

Am 20. Juni 1925 verstarb Herr Rudolf Schug im Alter von 62 Jahren. Wer war der Klavier- und Musikinstrumenten-Fabrikant Rudolf Schug?
Im März 1864 erblickte er in Markhausen in Böhmen (heute Pomezná, Tschechien, nur wenige Kilometer von Klingenthal entfernt, ein Ort, der nach dem Zweiten Weltkrieg dem Erdboden gleichgemacht wurde) das Licht der Welt, besuchte dort die Schule. „Nach Beendigung der Schulzeit war er in der Musikindustrie tätig und eignete sich hier alle praktischen Kenntnisse an. Mit seinen Ersparnissen machte er sich im Jahre 1884 in Klingenthal i. Sa. selbständig. Er gründete die Firma Rudolf Schug und fabrizierte anfangs mit ganz bescheidenen Mitteln Akkordeons. Später stellte er seinen Betrieb auf Gitarr- und Akkordzithern um und fing an zu exportieren“ Die Akkordzither gilt als Grundtyp der meisten Zitherinstrumente. „ Durch seine fachmännischen Kenntnisse und seinen unermüdlichen Fleiß gelang es ihm, sich auf dem Weltmarkt einzuführen, um so mehr, als es sein Prinzip war, nur beste Instrumente anzufertigen. Die Firma Rudolf Schug wurde dadurch im In- und Auslande bekannt und beliebt, so daß der Betrieb von Jahr zu Jahr vergrößert werden mußte.

Schug, Rudolf

Im Jahre 1908 erwarb sich Rudolf Schug ein eigenes Grundstück mit Fabrikgebäuden, das er mit den neuesten Holzbearbeitungsmaschinen einrichtete. […] Trotz des Aufschwunges, den er nach wenigen Jahren mit seinem Geschäft zu verzeichnen hatte, blieb Rudolf Schug, der in allen Kreisen beliebt und geschätzt war, der anspruchslose, schlichte Charakter wie früher.

Im Jahre 1920 wurde der Betrieb wiederum bedeutend vergrößert und mit den neuesten, modernsten Maschinen ausgestattet. Zugleich wurde die Fabrikation von Pianos eingerichtet, womit ebenfalls in kurzer Zeit die besten Erfolge erzielt wurden. 1921 traten die beiden Söhne Hugo und Max Schug als Mitinhaber in das Geschäft ein. Die Firma wurde geändert in ´Erste Klingenthaler Pianofortefabrik Rudolf Schug & Söhne, Klingenthal i. Sa.´ und handelsgerichtlich eingetragen. Hugo Schug übernahm die kaufmännische Leitung und Max Schug die Betriebsleitung“. Beide waren geschickt und dem Vater eine große Stütze. Der Betrieb konnte vergrößert werden.

Schug, Rudolf

„Die Firma genoß auch im Pianobau in kurzer Zeit Ansehen, und ihre Pianos wurden bald beliebt und bekannt. So daß die Firma jetzt auch darin einen guten Absatz hat. – Der Verstorbene war bis zum letzten Tag unermüdlich im Betrieb tätig, sein ganzes Leben war ein arbeitsreiches“. Die Söhne führten die Firma weiter, ihr Ziel war, „den bisherigen guten Ruf und das Ansehen der Firma auch weiterhin zu wahren“.

Wesentliches gab es weiterhin kaum, lediglich zu den Leipziger Messen präsentierte sich die Erste Klingenthaler Pianofortefabrik. 1927 brachte sie „… neben ihren Pianos alle Sorten von Akkord-, Gitarr- und Autoharp-Zithern, klangvolle, handgearbeitete Künstler-Konzertzithern, Prim-Zithern mit feinen, geschmackvollen Elfenbein- und Perlmuttereinlagen […] und zählt zu den leistungsfähigsten Firmen der Klingenthaler Industrie“.
Wann wurde eigentlich die Firma gegründet? Nach H. Henkel gab Paul de Wit das Gründungsjahr mit 1887 an.
Und wie lange bestand die Firma? Der Fachmann vor Ort, der Klavierbaumeister Peter Schlosser aus Klingenthal gab darüber Auskunft:

Nach dem Zweiten Weltkrieb blieb die Firma in Privathand. Ab 1956 zu 60% halbstaatlich – was heißt das? Das private Eigentum sollte in der damaligen DDR in sozialistisches Eigentum übergehen. Der Chefideologe der Partei, Kurt Hager, sagte sinngemäß einmal: Der Beschäftigte eines Betriebes, der noch ganz oder teilweise in privatem Besitz ist, könnte sich eigentlich nicht als vollwertiges Mitglied der Arbeiterklasse fühlen. Die nichtsozialistischen Betriebe wären demnach ein Hemmnis für die Bewußtseinsbildung der Arbeiter.

Am 14. April 1972 ging der halbstaatliche Betrieb ganz in sozialistisches Eigentum über, es wurde der VEB SCALA gegründet. In dem VEB (Volkseigener Betrieb) waren 40 – 50 Beschäftigte. Wenn in den Jahren von 1950 bis zum Mauerbau acht Klavierbauer republikflüchtig wurden, so ist das im Verhältnis zur Belegschaft eine hohe Zahl.
Was geschah mit den Söhnen von Rudolf Schug, den Herren Otto und Rudi Schug?
Otto Schug wurde 1945 in den Gulag gebracht und verstarb dort.
Rudi Schug verstarb 1974 und war bis dorthin Betriebsleiter des Volkseigenen Betriebes.
(Quelle: Dr. Hans Hoyer, Klingenthal).

Die Klavierbaulehre begann Herr Peter Schlosser 1954 und beendete sie 1957. Drei Jahre später konnte er die Werkstatt von Georg Mikula übernehmen, die große Chance, „denn einen neuen Gewerbeschein gab es in dieser Zeit kaum. 1960 habe ich das letzte Klavier bei der Fa. Schug gefertigt. Zu meiner Zeit wurden Klaviere, Zithern, Hackbretter, Geigen und Gitarren aus Sperrholz, vorwiegend für den Export gefertigt.
1951 sind nur 110 cm Klaviere mit der Anfangsnummer 01 gebaut worden. Ca. 10% gingen an HO-Spezialhandel (Russen-Magazin), 0,5% Privatverkauf, der Rest vorwiegend nach Skandinavien (Schweden)“
(Zitat von Peter Schlosser, dem ich hiermit für seine ausgezeichnete Zuarbeit danke).

Klingenthaler Musikwinkel, dazu gehört auch eine bedeutende Persönlichkeit der Stadt:
Johann Wilhelm Rudolph Glier (*17. April 1793 in Klingenthal, gest. 3. Mai 1873 Klingenthal) Holzblasinstrumentenmacher, Musikalienhändler und Begründer der Klingenthaler Harmonika-Industrie.