Erbe, Jakob

Pianofabrik in Eisenach, 1881 – 1945

Eisenach, die Stadt in Thüringen bewahrt das Erbe von Persönlichkeiten wie das der Heiligen Elisabeth, Luther, Bach, Telemann, Goethe, Wagner, Liszt und hat nicht nur eine 948 Jahr altehrwürdige und feste Wartburg, sondern brachte auch mit Zweitaktmotoren viele fahrbare Wartburg´s auf die Straßen. Ein Produkt aus einem traditionsreichen Automobilwerke, dessen Anfänge bis 1898 zurück reichen. Nach der Maueröffnung war der fahrbare Wartburg ein Symbol für die Rückständigkeit der DDR, – verständlich.

1881, 17 Jahre vor den ersten knatternden Wartburg-Motorwagen, erklangen in Eisenach lieblichere Töne aus der Werkstatt des Instrumentenmachers Jacob Wilhelm Erbe auf der Unterstraße 50.

Ein Erbe von Eisenach, die Pianofabrik von Jacob Wilhelm Erbe, soll mit dem Artikel bewahrt werden.
Ein Piano allein,
ein Harmonium allein
oder beides auf einem Instrument –

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Erste Nachweise des eigenartigen Baus von Piano und Harmonium stammen von der Pianofortefabrik Böttcher in Stettin, die schon 1864 mit dem Bau eines „Harmonium-Klaviers“ begannen.
Die Leipziger Musikwerke, vorm. Paul Ehrlich, bauten 1894 „Daimonion“, ein Harm.-Klavier.
Firma Heyl, Borna, fertigte 1892 ein Piano-Harmonium, Modell „Dyophon“, noch bis 1928 bot Heyl Harm.-Klaviere an.
Hölling & Spangenberg, lieferte 1874 auf Wunsch von Richard Wagner Lieferung ein Harm.-Klavier.
Ludwig Hupfeld A. G., ab 1910 stellte ein Kombinationsinstrument „Clavimonium“ her.
Kreutzbach, Julius Urban, Leipzig, 1895 fertigte … „Klavierharmoniums“.
Leipziger Pianofortefabrik A.-G. in Leipzig-Mölkau bauten Harmonium-Klaviere.
Philipp, Gottlob, Forst i. L. fertigte 1886 Piano-Harmoniums.
Polyphon-Musikwerke A.-G. Leipzig, stellte 1908 Piano-Harmoniums her.
Thürmer, Meissen, 1880 baute Kombinationsinstrumente (Harmonium und kreuzsaitiges Pianino).
„Mit Sicherheit stellten die Harmoniumbaufirmen Bollermann, Buschmann, Hörügel, Lindholm, Mannborg, Möller, E. Müller, J. T. Müller, Schaeufele, Schiedmayer, Stiehler, Sulzer sog. Einbaue für bestimmte Klavierbaufirmen her, die die Kombinations-Instrumente zumeist unter ihrem Namen verkauften, oder sie fertigten selbst Harmonium-Klaviere“.
(Info´s und Zitat aus „Das Harmonium in Deutschland“, Verlag E. Bochinsky).
Nicht zu vergessen Teofil Kotykiewicz, Wien, mit zahlreichen Piano-Harmoniums.

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1887 beschrieb der „Instrumentenfabrikant“ sein Patent Nr. 43.301 vom 7. Juni 1887 „Combinirtes Pianino und Harmonium“ wie folgt (s. Bild 1888):
„Es können vermittelst einer Claviatur das Pianino allein, das Harmonium allein und Pianino und Harmonium gleichzeitig gespielt werde. Das Ausschalten der auf dem Hebel d ruhenden Spiellade geschieht vermittelst des Hebels c, welcher um e drehbar ist. Zum An- und Abstellen der Pianomechanik ist die Stange p in Verbindung mit dem Hebel o und der die Stoßstangen f der Mechanik umfassenden, schwingenden Leiste r angebracht. Die Spiellade b ist mit zwei Stimmenreihen versehen, so daß durch Anordnung der Klappe k und des Registermechanismus h das Harmonium einfach und doppelt gespielt werden kann“.

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Von einem weiteren Patent, Nr. 46.433 vom 1. Juli 1888, existiert folgende Beschreibung, ohne Bild:
„Die Klappen für die Harmoniumstimmen sind bei diesem Instrument direct an den hinteren Theilen der Tastenhebel angeordnet, so daß beim Anschlagen der Tasten stets die Harmoniumklappen und die Klaviermechaniken zugleich bewegt werden. Der beim Spielen auf die Tasten auszuübende Druck bleibt bei dieser Einrichtung stets derselbe, einerlei, ob das Harmonium oder Pianino oder beide zugleich gespielt werden.
Zur Aenderung der Tonstärke des Pianinos ist ein Crescendo- und Decrescendozug angebracht. Derselbe dient auch gleichzeitig zum vollständigen Abstellen der Pianinomechanik, wenn das Harmonium allein gespielt werden soll. Um die Tonstärke des Harmoniums ändern zu können, sind für jeden Ton zwei Stimmen vorgesehen, von denen durch Registerzüge eine oder beide gleichzeitig eingeschaltet werden können“.

In Erfurt wurden 1893 die Erzeugnisse Thüringer Gewerbefleißes ausgestellt, der Stadt, die als das wirtschaftliche und geographische Herz Thüringens bezeichnet wurde.
Unter den Ausstellern befand sich J. Erbe, mit einem Harmonium-Pianino „in schönem nußbaum polierten Renaissance-Gehäuse nach der patentirten Construktion, ferner 1 Pianino in Schwarz mit Stimmzug“.

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Für die „Sächsisch-thüringische Gewerbe- und Industrie-Ausstellung“ in Leipzig 1897 hatten sich bereits über 50 Firmen angemeldet, „während eine ganze Anzahl von Anmeldungen noch in Aussicht steht“.
J. Erbe stellte „Pianosharmoniums“ aus, wofür die Firma die „Silberne Medaille“ erhielt „für gute Combination von Klavier und Harmonium“.
Zu den drei ausgestellten Instrumenten gehörte „ein zweimanualiges Pianino-Harmonium (D.R.P. 46.433) in polirtem Masernußbaum, mit durchbrochenen geschnitzten Fülllungen im Oberrahmen. Die obere Klaviatur (Harmonium) umfaßt 5 Oktaven. Die untere (Pianoforte) 7 Oktaven. […] Klavier- und Harmoniumton assimiliren sich in den Erbe´schen Instrumenten auf´s Beste“.

Stellte J. Erbe schon 1904 ein Kleinklavieren vor? Erbe´s Patent trug die Nr. 160.626 vom 18. September 1904, siehe Bild 21. Juni 1905, dazu folgende Beschreibung:

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„In der Höhe der Tastatur abschließendes Pianino, dadurch gekennzeichnet, daß die Tasten (16) unten an einem gemeinsamen, an den beiden Enden gestützten, sonst aber freischwebenden Tragstück drehbar befestigt sind und die Bewegungsübertragung von der Taste auf den Hammer unmittelbar durch einen Stößer (24) erfolgt, der an der Unterseite der am hinteren Ende drehbar gelagerten Taste angelenkt ist“.

Ein neues Patent, Nr. 212.448 vom 15. September 1908, als Zusatz zum Patent Nr. 160.626 vom 18. Sept. 1904, siehe Bild 1. November 1909, es wurde wie folgt beschrieben:

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„In der Höhe der Tastatur abschließendes Pianino nach Patent 160.626 ist dadurch gekennzeichnet, daß die Spreizen (5) des mit dem Stimmstockpanzer ein Stück bildenden, von oben nach unten keilförmig gestalteten, gußeisernen Rasten in Fortfall gebracht sind, dafür aber eine die Saitenanhängestifte tragende, durchbrochene Platte (y) zur Anwendung gelangt, welche mit dem Rasten, dem Stimmstockpanzer und der Bodenlage aus einem Stück gegossen ist“.
Die Gehäuseform beider beschriebenen Patente sind gleich.

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1921 wurde das 40jährige Bestehens der Pianofortefabrik von J. Erbe gefeiert.
„Den Werdegang dieses strebsamen Meisters des Pianofortebaues von der kleinen Werkstatt im Jahre 1881 bis zu dem Stande der heutigen Fabrik im Osten der Stadt kennzeichnet neben der erstklassigen Qualität der Erbe-Pianos auch eine ganze Reihe von wichtigen Erfindungen. Es sei nur an das Erbe´sche Pianoharmonium, das Dirigentenpult-Klavier u.a.m. erinnert. Herr J. Erbe, der jetzt im 69. Lebensjahre steht, arbeitet noch rüstig mit an dem Weiterblühen seines Lebenswerkes, und seine beiden Söhne, Karl und Arno Erbe, auf welche die Firma am 26. März d. J. übergegangen ist, werden stets bemüht sein, den Betrieb den Traditionen ihres Hauses entsprechend weiter zu leiten“.

Ebenfalls 1921 gab J. Erbe wieder ein Patent heraus, das Patent-Nr. 340.967, vom 23. Jan. 1921 für ein Stutzklavier.
Stutzklaviere schließen gewöhnlich dicht über der Klaviatur ab, das Stimmen ist nur umständlich möglich. Dieses Patent sollte dem Umstand abhelfen.

Es folgte ein weiteres Patent, Nr. 372.810 vom 6. Jan. 1922, ein Zusatzpatent zu o. g. Patent. Wiederum ging es um bei dem Stutzklavier um die Verbesserung beim Saitenaufziehen und des Stimmens.

Zur Leipziger Herbstmesse 1924 stellte J. Erbe „erstmalig ihr Stutzklaver D.R.P. (nach o. g. Patenten) aus. […] Zur Ausstellung kommt, außer einem Stutzklavier Modell 2 NK, das neueste Modell CR, das in seiner Gehäuseform völlig von vorstehendem Modell abweicht“.

Das 50jährige Jubiläum feierte die Firma 1931. Ein Jubiläum, welche manche Firmen durch die wirtschaftlichen Umstände nicht mehr feiern konnten.
Herr Jacob Erbe, hier schon im 79. Lebensjahre, ist immer noch im Betriebe tätig. Ihm ist das seltene Glück zu teil geworden, „… 5 Jahrzehnte ununterbrochen an seinem Lebenswerk arbeiten zu dürfen.

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In zäher, manchmal sehr harter Arbeit, auch heute noch wie früher morgens der erste und abends der letzte im Betriebe, hat er die Entwicklung seiner Fabrikate von dem nach heutigen Begriffen doch noch etwas primitiven Zustand der 80er Jahre zur jetzigen technischen und tonlichen Vollkommenheit gefördert. Dabei hat er als alter solider Fachmann stets in erster Linie die Qualität und Gründlichkeit seiner Arbeit und dann erst, beinahe zu wenig, den kaufmännischen Erfolg im Auge gehabt. Als ein geborener Erfinder ist er vielen Anregungen gefolgt, die technische Schwierigkeiten unübersehbarer Art boten, und hat diese Anregungen zielbewußt zu einer Lösung gebracht, die auch heute noch beim Fachmann Erstaunen und rückhaltlose Anerkennung finden. Erwähnt werden soll nur sein podiumartiges Dirigentenklavier mit eingebauten Harmonium und Orgelpedal, sowie sein Pianoharmonium überhaupt. Aus neuerer Zeit stammt die Erfindung des Stutzpianos, jenes kleinen Hausinstrumentes, das wegen seiner angenehmen singenden Tones und seiner ganz neuartigen, raumsparenden Gehäuseform nicht nur in Deutschland, sondern in vielen europäischen und überseeischen Ländern bekannt und beliebt worden ist. Auch als Schul- und Dirigentenklavier hat es Anklang gefunden und als Schiffsklavier trägt es auf manchen modernen Dampfer tönende Beweise von Eisenacher Gewerbefleiß – und Erfindergeist über die Weltmeere“.

Seit Anfang der 20iger Jahre sind die Söhne des Gründers Karl und Arno Erbe Inhaber der Firma.

„Wenn auch das 50jährige Jubiläum leider in eine Zeit fällt, in der das deutsche Wirtschaftsleben arg darnieder liegt und besonders die Klavierindustrie sehr zu kämpfen hat, so sieht doch die Firma Erbe […] mit Hoffnung in die Zukunft, in der sie bereit ist, weiter zu arbeiten im Dienste musikalischer Volkskultur durch den Bau hochwertiger und preiswerter Pianos“.

„Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre; und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist’s Mühe und Arbeit gewesen; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon“. Die Worte aus dem Psalm 90 gelten in besonderer Weise Herrn Jacob Wilhelm Erbe. Er starb im Alter von 81 Jahren. Rastlos tätig war er bis in die letzten Monate seines Lebens. Das Fest der Goldenen Hochzeit konnte er ein Jahre vor seinem Tode noch feiern. Ihm wurde von seinen Angehörigen ein letzter Wunsch erfüllt: Erst nach seiner Beerdigung sollte sein Ableben bekannt gemacht werden. Das entsprach „dem Charakter und der Bescheidenheit dieses edel-denkenden Mannes. Sein Lebenswerk wird in seinem Sinne von seinen Söhnen Karl und Arno Erbe fortgesetzt“.

An wem vergab Erbe seine Lizenzen?
An Herrn R. von Schmitz, siehe Bild 11. Sept. 1884. An wem noch ist nicht nachweisbar.

Die Firma handelt seit mindestens 1926 auch mit Sprechmaschinen (Grammaphonen). Der Gründer Jacob Wilhelm Erbe stirbt am 24.Okt.1932, die Söhne Karl und Arno setzen die Firma unverändert fort. Im Okt 1941 ist die Gesellschaft aufgelöst, Arno Erbe ist Alleininhaber, Frau Hildegard Erbe geh. Kümmel erhält Prokura. Die Firma erlischt 1945“. (Henkel)

Vielen Dank dem Stadtarchiv Eisenach