Grand, August

Hofpianofortefabrik in Berlin, 1868 – 1988 (Gegenwart)

ein alter, bekannter Name, heute ohne das „A“. Wer war Grand, der August Grand? Die Nachweise über A. Grand beginnen 1886 und enden erstaunlicherweise bereits 1931. Wenn auch die Familie Grand nach den 30er Jahren in dem Unternehmen nicht mehr war, so blieb der Firmenname bestehen.

Erste Nachweise: Der Hofpianofabrikant A. Grand, Berlin, produzierte seit 1886 in seinem „eigenen Hause in der Gitschinerstrasse 94“. Schon damals trug er den Titel eines Hofpianofabrikanten. Doch von wem erhielt er ihn? Nach H. Henkel lieferte A. Grand 1891 an den Prinzen Alexander von Preußen ein Instrument, der ihn zum Hoflieferanten ernannte. Oder?

Grand, Anzeige 1892

Im April 1890 fand beim Landgericht in Berlin ein Prozess gegen „einen Orden- und Titelhändler“ statt. „Derselbe vertrieb seit Jahren in der Berliner Kaufmannswelt und auch in anderen Kreisen allerlei Rundschreiben, in denen er Hoflieferantentitel, Orden, Verdienstmedaillen in Gold, Silber und Bronce […] zu festen Preisen ausbot. […] In der That scheint er an gewissen Miniaturhöfen thatsächlich Einfluß gehabt zu haben; dafür spricht der Umstand, daß ihm verschiedene Berliner Kaufleute Hoflieferanten-Prädikate verdanken.“

Grand, A., PorträtImmerhin nahm der Hofpianofabrikant an verschiedenen Weltausstellungen teil, so auch 1888 in Melbourne, dort war er vertreten mit 2 Pianinos. Drei Jahre später, 1891, stellte A. Grand auf „der deutschen Ausstellung in London“ drei Erzeugnisse vor:  Das erste Modell, genannt `The Buckingham Palace`, ist in Maser-Nußbaum, mit matter und blanker Oberfläche; es ist 5 Fuß hoch, hat Doppelleuchter und Metallplatte in der Füllung. Das Instrument enthält vollständigen, goldbronzierten Eisenrahmen und beste Repetitions-Mechanik, während der Ton schön und groß ist. Das andere Modell `The Osborne` ist ein schwarzes Concert-Pianino mit hübscher, messingeingelegter Mittelfüllung. Das `Balmoral`-Modell ist gleichfalls schwarz, graviert, vergoldet und mit Handmalerei auf Deckel und Füllung. Diese combinirte Decorationsweise hebt das Aussehen des schwarzen Gehäuse ungemein. Das Instrument ist dem Bewillkommnungs-Club der Ausstellung geliehen und im Damenzimmer aufgestellt worden“. Prämiert wurden die ausgestellten Instrumente der „Sektion A. Pianos“ von A. Grand mit dem Ehrendiplom II. Klasse “für gute Qualität“.

Wo blieben die Spezis? Die sogenannte deutsche Ausstellung in London scheint in Deutschland nicht allzu große Begeisterung gefunden zu haben, denn der Schluß der Anmeldungen wurde immer und immer wieder hinausgeschoben. […] Namentlich aus den Kreisen der Musikinstrumenten- und Pianoforte-Fabrikanten ist die Betheiligung […] eine nur schwache“. Bekannte, hervorragende Firmen wie Bechstein, Blüthner, Ibach Sohn und andere haben nicht ausgestellt. „Man hat in Fabrikanten-Kreisen den üppig wuchernden Ausstellungs-Schwindel herzlich satt und sich daran gewöhnt, seine Spezialitäten auf viel billigere und zweckmäßige Weise bekannt zu machen, als durch die Vermittlung überaus kostspieliger Ausstellungen“.

1893 erschien ein neuer Katalog von dem Hoflieferanten A. Grand. Der „fünfsprachige Text“ verdient „wegen seiner correcten, fachmännischen Wiedergabe ganz besonders hervorgehoben zu werden. Durch die Abbildungen werden 11 Pianino-Modelle veranschaulicht“.

Ein „Kombinirtes Pianino-Harmonium“ stellte Grand zur Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896 vor, … in welchem beide Werke in einem Gehäuse zusammen sind und durch dieselben Tasten regiert werden, und zwar so, daß man jedes Instrument für sich allein und beide zusammen erklingen lassen kann. Das Instrument, fünf Octaven enthaltend, zeichnet sich durch einen großen edlen Ton aus; von eigenartig fesselnder Wirkung ist das Fortklingen des Klaviertones in dem Harmoniumton. Die Firma hat außerdem 4 Pianinos ausgestellt, […] ein kleines schwarzes mit Moderateur, welches für die Verlosung angekauft ist; ferner drei Instrumente in Nußbaum, eins mit schöner Grundstecherei und das zweite mit geschmackvoller Marqueteriearbeit. Alle Instrumente zeigen solideste Bauart und haben vollen, großen Ton bei ausgiebigster Spielart“.

Von der Musikausstellung 1898 im Berliner Meßpalast findet sich nur die kurze Erwähnung von drei ausgestellten Pianinos. Immerhin aber prämiert die Jury die Instrumente mit einer „Silbernen Medaille“.

Welchen Wert hatte die Medaille? Welchen Zweck hatte die „Musikausstellung im Berliner Meßpalast“ 1898? Mit den gewonnenen Überschüssen aus der Ausstellung sollte ein „Richard-Wagner-Denkmal“ errichtet werden. Allerdings brachte die Ausstellungsmüdigkeit einen Misserfolg. Wieder fehlten hervorragende Firmen. „Man könnte eine Liste der glänzendsten Namen all derer aufsetzen, die hier nicht zu finden sind“. Die Prämierungen fielen entsprechend dürftig aus. 5 Klavierfirmen erhielten die „Goldene Medaille mit dem Vorschlage zur Staatsmedaille“, u. a. Firma E. Lämmerhirt und Wilh. Hirl. 3 Firmen nahmen die „Goldene Medaille“ in Empfang, und ca. 10 Firmen die „Silberne Medaille“.

Am 26. Januar 1902 „ist der Hofpianofortefabrikant Herr August Grand nach langem, schweren Leiden im 72. Lebensjahre verschieden, […] er bekleidete das Ehrenamt eines Vorstandsmitgliedes des Vereines Deutscher Pianofortefabrikanten und eines Delegirten der Berufsgenossenschaft“.

Herr August Grand war ein Berliner! Geboren am 14. September 1830. Schon damals gab es in Europa riesige Flüchtlingsströme. Grund war die französische Julirevolution, die „für andere Länder eine Vorbild-Funktion“ ausübte. Grand verlor sehr früh seine Eltern und „genoß seine Erziehung im Waisenhause der französischen Kolonie in Berlin. Nachdem der bei einem tüchtigen Tischlermeister seine Lehrzeit durchgemacht hatte, bildete er sich im Klavierbau aus, und zwar mit solchem Erfolge, daß er später in ersten Fabriken Stellungen als Werkführer bekleiden konnte. Im Winter des Jahres 1868 machte er sich selbstständig. Seinem regen Geist und unermüdlichen Fleiße, verbunden mit tüchtigen Fachkenntnissen, gelang es, sich allmählich emporzuarbeiten und seinen Namen zu Ruf und Ansehen zu bringen, während er sich durch seinen rechtschaffenen Charakter und sein einfaches, schlichtes Wesen überall Freunde erwarb.

Ein großes Verdienst an dem Aufblühen des Geschäftes hatte die Gattin Grand’s, die ihm schon vor acht Jahren im Tode vorausgegangen ist. […] Beide wetteiferten förmlich miteinander in der Arbeit, wenn sie, wie das in früheren Jahren öfters geschah, schon um 4 Uhr Morgens ihre Thätigkeiten aufnahmen. […] Aber `Segen ist der Mühe Preis` dieses Dichterwort bewahrheitete sich auch hier. Das Geschäft wuchs in erfreulicher Weise, und da Grand nur vorzügliches, solides Fabrikat lieferte, so wurden seine Instrumente schnell über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt“. Nach dem Tode seiner treuen Frau stellten sich bei Grand verschiedene Krankheiten ein, die heutigen Tages nicht unbedingt zum Lebensende führen würden. Er starb „anscheinend ohne langen Todeskampf an Herzschwäche“.
Es trauerten um ihn drei Töchter und „ein im fernen Indien ansässiger Sohn und zwei Schwiegersöhne. Das Werk aber […] wird weiter bestehen. Die verantwortliche Leitung des Geschäftes übernimmt im Sinne des Vaters […] die schon seit Jahren mit der Prokura betraute Tochter Louise, der als fachmännischer Beistand in der Fabrik einer der Schwiegersöhne zur Seite steht. Es ist damit die beste Gewähr geboten für eine fernere gedeihliche Weiterentwicklung der Firma auf der alten soliden Basis, die der nun verewigte Gründer seinem Lebenswege vorgezeichnet hat“.

1905 erschien ein neuer Katalog, er zeigte “17 Pianino-Modelle – in der Mehrzahl recht geschmackvolle Entwürfe im modernen Stile. […] Die Vorderseite des Umschlages zeigt in erhabener Relifpressung eine hübsche Vignette: Der Genius der Musik mit Leier und Palmenzweig schreitet die Stufen einer Säulenhalle hinauf, in deren Hintergrund ein Pianino steht. Der weiße Grund ist mit seinem satinartig wirkenden, violetten Farbentone überhaucht”.

Grand, Anzeige 1905Es drohte 1907 der Konkurs. Frau Louise Grand teilte durch ein „an die Gläubiger versandtes Rundschreiben“ mit: Das Konkursverfahren gegen die Firma A. Grand rückt nun seinem Ende immer näher. Schreiberin ist inzwischen eifrigst bemüht gewesen, noch etwas Kapital aufzutreiben, um einen Zwangsvergleichs-Vorschlag ermöglichen zu können, damit unsere Gläubiger wenigstens den an uns erlittenen Verlust, den wir ihret- wie unsertwegen tief beklagen, nicht zu schmerzlich fühlen“. Sehr ausführlich erläutert sie die Situation und endet mit der Bitte, „uns Ihre gütige Zustimmung im Zwangsvergleich nicht zu versagen“.

Das Konkursverfahren wurde 1908 durch den „angenommenen Zwangsvergleich“ rechtskräftig aufgehoben. Otto Branke (Piano- und Flügelfabrik) erwirbt im gleichen Jahr die Konkursmasse der Firma A. Grand und setzt die Produktion in deren Fabrik fort. Otto Branke – erstaunlicherweise gibt es keinerlei Nachweise in der „Zeitschrift für Instrumentenbau“. Lediglich das Weltadressbuch von 1909 verzeichnet im Nachtrag unter neu hinzu gekommenden Firmen: „Branke, Otto (A. Grand Nachf.)“. Um den 1. April 1910 verlegt er die Fabrik nach Berlin-Rixdorf, Zeughofstraße 20. Im April 1911 hat Kaufmann Leo Berg die Firma ohne deren Verbindlichkei­ten, aber mit allen Rechten erworben, er setzt wieder unter »A. Grand« fort“. (Henkel) Außerdem war Leo Berg seit 1908 Gesellschafter der Firma „Pianoindustrie Berg & Co“, und seit 1909 war er Inhaber der Firma „Sonoral, Flügel- und Pianofortefabrik Leo Berg“.

Vor und nach dem Ersten Weltkrieg war es sehr still um die Firma A. Grand. Dann, zu Beginn der 30er Jahre, hatte die Pianobranche mit Konkursen und Schließungen der Firmen zu tun. A. Grand veranlasste 1931 „mit ihren Gläubigern eine Sanierung durchzuführen“, in deren Folge „eine unveränderte Fortführung des Unternehmens ermöglicht worden ist“.

In der „Musikinstrumenten-Zeitung“ erschien 1931 eine Notiz: Prospektartig in Leporelloform hat die Firma im April 1931 einen neuen Katalog herausgebracht. Er zeigte „10 Modelle und 3 Innenansichten von Pianos […] denen nur die Modell-Nummer und Angabe über die Höhe beigefügt ist. Für jeden Geschmack ist unter den vielen Modellen etwas vorhanden und leicht und übersichtlich kann sich der Käufer über das von ihm Gewünschte informieren. Die Titelseite […] läßt die vielen Preise, mit denen die Firma auf wichtigen Ausstellungen ausgezeichnet wurde, zur Geltung kommen“.

Grand 1948

Nach dem Zweiten Weltkrieg: Ein Augenzeugenbericht über Klavierbaufirmen in Berlin Ende 1945: „A. Grand richtet neuen Betrieb ein in Neukölln, Sanderstrasse“. (170 Jahre Klavierbau in Eisenberg/ Thüringen)

Im Jahre 1954 ist nach der Adressentafel der Berliner Musikinstrumentenbau das Pianohaus A. Grand weiterhin in Berlin-Neukölln, Sanderstrasse 29.

Grand Reklame 1954

Bericht von der Frankfurter Musikinstrumenten-Messe 1971: Zwei Angebote bekannter Berliner Marken auf einem Stand, das war schon ein Grund mehr, ihm noch mehr Aufmerksamkeit zu widmen, zumal es sich hier um zwei sehr differenzierte Angebotsgruppen mit besonderen Akzenten nach Art, Stil, Ausführung und Preis handelt. […] Das Grand-Klavier darf als eines der preiswertesten deutschen Markenklaviere bezeichnet werden, zumal es seit der Übernahme durch Manthey tonlich und im Gehäuse, vor allem auch in der Ausarbeitung, manche Verbesserung erfahren hat. Die Verbesserungen sind von der Kundschaft honoriert worden. Der Handel hat, und das gilt für Manthey und Grand gleichermaßen, ausgezeichnet positiv reagiert“. (Das Musikinstrument, 1971/3)

Ein Jahr später – interessant bei den Messeberichten die immer gleich wiederkehrende Rangfolge der Firmen – wieder ein Bericht über Manthey und Grand, die „gut im Geschäft“ sind. Beide Firmen kooperieren seit 1972 und haben jetzt ihren Sitz in Berlin 36, Reichenberger Str. 125. „Daß Grand-Klaviere ihren guten Markt nicht nur in Deutschland, sondern weithin in Europa haben, ist seit Jahren bekannt. Die Verbesserung ihrer Qualität und ihre günstige Preisrelation zu konkurrierenden überseeischen Instrumenten haben ihre Stellung noch gefestigt“. (Das Musikinstrument, 1972/2)

Wieder ein Jahr später: „Der Name Grand strahlt nicht nur internationales Fluidum aus, er besitzt es auch auf dem Klaviermarkt über die Grenzen Europas hinaus“. 1973 kam das neue Grand-Modell 106, eine Weiterentwicklung des 103-Modells, auf den Markt. „Es ist nach wie vor das preiswerteste Piano mit einer Renner-Mechanik“. Eigenartig, Manthey stellte schon 1972 sein neues Manthey-Modell M 106 vor in den „Ausführungen Altdeutsch und Barock“. (Das Musikinstrument, 1973/2 und EP 1972/1)

Manthey und Grand stellten zur Musikmesse 1973 „… elf Klaviere und einen Flügel aus, dazu als besonderen Anziehungspunkt das neue Manthey Stereo-Piano. Technischer Fortschritt und Tradition, gepaart mit den Erfahrungen von vier Klavierbauergenerationen“. Das Klavierspiel kann man zusätzlich „über den Kopfhörer oder die eigene Stereoanlage hören“. (Das Musikinstrument, 1973/3)

Nach dem Buch „Handwerk im Dienste der Musik – 300 Jahre Berliner Musikinstrumentenbau“, Autorin Frau Dr. Gesine Haase, stellte die Firma Manthey 1986 ihre Produktion ein. (Europiano Heft 4, 1988.) Damit ging auch die A. Grand-Produktion in Berlin zu Ende. Soweit zu August Grand und seine Berliner Nachfolger.

Grand-Pianos werden heute produziert – in Beijing (China). Viele chinesische Hersteller verwenden deutsche Namen, es sind nicht Klaviere der gehobenen Preisklasse. Weltweit gibt es darüber hinaus allerdings noch zahlreiche Grand-Pianos, die mit dem Berliner August nichts zu tun haben: „Grand piano“ bedeutet im Englischen ganz einfach „Flügel“.