Gebrüder Trau
Pianofortefabrik Heidelberg, 1835 – um 1922
Ich hab‘ mein Herz in Heidelberg verloren —
und 1837 mit dem Klavierbau begonnen.
Reimt sich nicht – aber es stimmt.
Die vermutlich nicht sehr bekannte Heidelberger Pianofabrik ist durch berühmte Komponisten eigentlich erst erwähnenswert. Zurück zum Jahre 1853.

Georg Trau bot 1853 zum „Verkauf oder zur Miete zu sehr günstigen Preisen stets ein großes Sortiment hochwertiger PIANOFORTES deutscher Herstellung“ an. (1)
Gebr. Trau nahm teil an der Ausstellung Melbourne 1880 und zeigte „ein Klavier mit Eisenplatte, edles Walnussgehäuse“. (1)
Im offiziellen Protokoll, Melbourne 1882, stand: „Massiv gebautes Holzinstrument; das einzige seiner Art am deutschen Hof. Dritte Auszeichnung.“ (1)

„Die 1837 gegründete Klavierbauwerkstatt wurde von den Söhnen Karl Ludwig und Jean (Johann) Trau als OHG fortgeführt wird. Diese OHG erlischt im Aug.1888, das Geschäft wird als Einzelfirma mit Inhaber Johann (Jean) Trau neu eingetragen. 1895 übergibt Johann Trau das Geschäft in Heidelberg aus Altersgründen an Carl Günther, der ‚Gebr. Trau Nachf. Carl Günther‘ firmiert“. (3)

„Die Firma Gebr. Trau Nachf. (Inhaber Karl Günther), Hof-Piano- und Harmonium-Handlung in Heidelberg a. N. … ist 1919 von Herrn Hugo Reiher aus Hamburg-Blankenese käuflich erworben worden und führt es unter Gebrüder Trau Nachf., Inh. Hugo Reiher fort. (2)
1919 – Ist eine 84 Jahre alte Pianofabrik und -handlung ein Grund zur Erwähnung? Offensichtlich, denn „es verbinden sich mit diesem alten Geschäftshaus manche Heidelberger Musikerinnerungen. Hier hat kein Geringerer als Brahms im Jahre 1875 häufig verkehrt, eine kleine Kammer im 1. Stockwerk diente dem Meister öfter als Schlafraum; Künstler aus alter Zeit gingen hier aus und ein. – Die ehemalige Pianofabrik Gebrüder Trau vergrößerte sich, ohne daß das alte Haus seine äußere Gestalt änderte. Und gerade dieser anheimelnde Eindruck soll auch unter dem neuen Besitzer erhalten bleiben. Herr Hugo Reiher, jetziger Inhaber von Gebrüder Trau Nachf., hat neben seinem Geschäftshaus, Brückenstraße 8, den Stammsitz der Firma, das Haus Hauptstraße 108, von seinem Geschäftsvorgänger, Herrn Carl Günther, käuflich erworben. Es werden die inneren Räume einer dem Äußeren angepaßten Neugestaltung unterworfen, und so dürfte die seit 84 Jahren im eigenen Hause geführte Pianofirma Gebrüder Trau Nachf. einer glanzvollen Zukunft entgegengehen“. (2)

Hugo Reiher schnitt 1920 ein für die Kollegen Klavierhändler interessantes Thema an.
Immer wieder wurden fachmännische Urteil von Klavierhändlern verlangt, Instrumente zu bewerten. Meist schraubten die Fragenden den empfohlenen Preis noch höher. Hugo Reiher verlangte für seinen fachmännischen Rat eine Aufwandsentschädigung. „Wenn dieser Vorschlag auch von anderer Seite Billigung fände, so kämen die gebrauchten Instrumente nicht so häufig zu Phantasiepreisen zum Verkauf, und der Händler ginge nicht leer dabei aus“. (2)

Am 30. März 1920 ist „Herr Johann Trau nach langem Leiden gestorben. Er war der Mitbegründer der altangesehenen Klavierfirma Gebr. Trau Nachf. (Inh. Hugo Reiher) in Heidelberg. … Mit Johann Trau, einem gediegenen Fachmann, ist wieder ein Stück Geschichte des Klavierbaues zu Grabe getragen worden. Seine Persönlichkeit war in weiten Kreisen bekannt und angesehen“. (2)
„Die bekannte Pianofirma Gebr. Trau Nachf. (Inh. Hugo Reiher) … hat sich 1921 infolge großer Nachfrage entschlossen, dem bisherigen Klaviergeschäft eine Musikalien- und Instrumentenhandlung anzugliedern. Der Firmeninhaber, Herr Hugo Reiher, ist auf diesem Gebiete Fachmann genug, um die neueingerichteten Abteilungen erfolgreich aufnehmen zu können“. (2)

Um 1922/23 wurde die Klavierproduktion eingestellt, der Name Gebr. Trau blieb in Heidelberg.
1925 feierte die „angesehene Klavierfirma“ ihr 90-jähriges Geschäftsjubiläum.
1927 übertrug die „Firma Steinway & Sons, Pianofortefabrik in Hamburg, der Firma Gebr. Trau Nachf. (Hugo Reiher) die Alleinvertretung“. (2)

1930, am 19. November, „feierte Herr Hugo Reiher, … sein 60. Lebensjahr in bester Gesundheit. Er gilt mit Recht als Pionier des deutschen Druckwind-Orchester-Harmoniums, denn in den 80-er und 90-er Jahren erkannte er die Bedeutung und Vorzüge der Hinkel-Harmoniums, die er mit großem Erfolge einführte. Im Jahre 1923 gliederte Herr Reiher seiner Pianohandlung eine Musikalien- und Instrumentenhandlung an unter der Firma Neuenheimer Musikhaus Reiher & Kürth in Heidelberg“. (2)
1934 erfolgte wieder ein Umzug der Pianohandlung in die Heidelberger Brückenstr. 51.
Das 100-jährige Geschäftsjubiläum wurde im September 1935 gefeiert. Einiges zum Werdegang der Firma ist schon genannt. An Johannes Brahms wurde wieder gedacht: „Gar manches Mal fand Meister Brahms beim Freund Trau in einem winzigen Kämmerlein, Hauptstraße 108 Schlafgelegenheit, wenn ihm am späten Abend der Weg nach Ziegelhausen zu weit war. (8 – 9 km). Die Verbindung mit der Klavierbauerfirma Gebr. Trau ist in der Brahms-Biographie von Alfred v. Ehrmann eingehend geschildert; Brahms in Ziegelhausen und bei Trau in Heidelberg sind reizvolle Mittelpunkte für Erlebnisse jener Zeit. „Die neuen Liebeslieder sind mir wirklich wider Willen aus der Feder geflossen“ entschuldigt sich Brahms beim Verleger Simrock. Aus der frischen Handschrift wurden sie in Heidelberg sogleich im Klaviersalon der Gebrüder Trau gespielt und gesungen. Hier regten sich auch die Einfälle zum Ständchen ´Der Mond steht über dem Berge` die Studenten-Romantik von Heidelberg bezauberte Meister Brahms“. (2)
Bereits 1920 befasste sich Hugo Reiher mit dem Thema der kostenlose Taxierung von gebrauchten Instrumenten. 1936 noch einmal: „Da war es mir in vielen Fällen ein Genuß, den Herrschaften reinen Wein über ihren vermeintlichen Besitz einzuschenken. Mein Urteil lautete, auch wenn ich einem gradsaitigen, also etwa 70 Jahre alten Klavier gegenüberstand, klar und deutlich: Dieses Instrument gehört auf den Schutthaufen, es müßte verbrannt werden. Erstaunen und Entsetzen ob dieses freimütigen Bekenntnisses bei den Leuten! Ich erklärte ihnen aber in aller Ruhe, daß das Instrument in den 60 bis 70 Jahren seinen Zweck vollkommen erfüllt habe, eine Reparatur für 100,— bis 150,— RM rechtfertige sich in keiner Weise, das Geld wäre geradezu zum Fenster hinausgeworfen, denn es sei fraglich, ob das Piano, welches vielfach um zwei Töne unter Kammerton steht, das Hochziehen aushalte, also wozu solches Wagnis. Verbrannt, sei die Losung für den alten Schinken: keineswegs sei das Instrument zu verschenken, denn damit würden Kinder beim Lernen des Klavierspielens noch musikalisch verdorben. Nur so werden die Illusionen über sogenannte wertvolle ganz alte Instrumente gründlich zerstört. Es müßte eigentlich eine polizeiliche Maßnahme bestehen, um solch altes Zeug aus der Welt zu schaffen. Das ist meine Meinung. Hugo-Reiher …“ (2)
Georg Klingmann, Berlin antwortete: „Bravo, Herr Reiher! Es würde gut sein wenn alle Ihre Herren Kollegen, vor allem aber auch die Stimmer, ihren Auftraggebern so offen und beeindruckt von fachmännischem Wissen die Meinung sagen würden. Es ist zu peinlich und ärgerlich, oft erleben zu müssen, daß einem von sonst nicht unklugen Leuten gesagt wird, wenn man für ein fabrikneues Klavier einen angemessenen Preis fordert; Der Preis ist mir viel zu hoch. Ich habe gedacht, daß ich bei Ihnen in der Fabrik ein Piano für etwa 300.— RM kaufen kann. Man kann diese Herrschaften dann nur darauf hinweisen, daß sie ja für ein gebrauchtes, unter Umständen 40—50 Jahre altes Instrument schon bis zu 300.— RM bezahlen usw., erhält aber dann in 95 von 100 Fällen bestimmt die Antwort: ‚Ja, unser Stimmer hat doch gesagt, daß die Fabriken heute schon neue Pianos für 300.— bis .350.— MR verkaufen.‘ Wenn auch zu einem Teil dieses eine naiv-unverfrorene Behauptung sein mag, so sind wirklich die gedankenlosen Redensarten der ‚Auch-Stimmer‘ daran schuld. Das Geschäft wird nicht nur erschwert, sondern unsere ganzen geschlossenen Bemühungen, auch nach dieser Richtung hin aufklärend, bildend und fördernd zu wirken, werden untergraben und zum Teil unmöglich gemacht. Könnte man erreichen, daß Ihr Vorschlag einer polizeilichen Maßnahme, alle Instrumente über 30 Jahre Lebensdauer als Brennholz zu verwenden, Geltung bekäme, dann wäre bald unserer immer noch sehr notleidenden Industrie geholfen.
G. Klingmann & Co.. G. m. b. H.“ (2)

Hugo Reiher beging am 19. November 1940 seinen 70. Geburtstag, „leitet noch in voller Rüstigkeit sein Geschäft, die alte, angesehene Pianohandlung Gebr. Trau Nachf., die er im Jahre 1919, von Hamburg kommend, käuflich erworben hat. Er wurde in Eichstätt (Bayern) geboren, begann seine Lehrzeit 1888 in Ansbach, daran reihten sich die Lehr- und Wanderjahre in den Großstädten Berlin, München, Köln, Leipzig, Magdeburg; … Dies alles als Vorbereitung für die immer geplante Selbständigkeit, zuerst in Hamburg 1906 und dann in Heidelberg“. (2)
„Hugo Reiher stirbt im Sept. 1946 und war bis dahin noch Inhaber der Firma“. (3)
Quellen:
(1) Lieveverbeeck
(2) Zeitschrift für Instrumentenbau
(3) H. Henkel
(4) Bildrechte bei Christine Ruiter