Bogs & Voigt

Pianofabrik in Berlin, 1905 – 1942

Gegründet wurde das Unternehmen 1905, im Jahr der Uraufführung der Operette „Die lustige Witwe“ (Lehár) in Wien sowie der Oper „Salome“ (R. Strauss) in der Dresdner Hofoper, im Jahr der Einweihung des Berliner Doms und der Durchbrechung des Simplontunnels, des mit 19.770 Metern bis dahin längsten Basistunnels der Welt. Und zur „Hoch“-Zeit des deutschen Klavierbaus. Die Bemerkung Kaiser Wilhelms II. „Das Klavier ist ein gesundheitsschädlicher Turnapparat“, eine Antwort auf die Frage, was er über das Instrument generell denke, entsprang eher einer Gemütslage als dass sie den blühenden Produktionsverhältnissen der Reichshauptstadt Rechnung trug (‚“Handwerk im Dienste der Musik“. Staatliches Institut für Musikforschung, Berlin 1987, S. 89).

Bogs & Voigt

Den Pianofortefabrikanten damaliger Zeit wurde einiges „zugemutet“.
– Bogs & Voigt schrieb 1907 eine Offerte an eine Hamburger Exportfirma:
Wir bieten „einfachstes und billigstes Piano, 1,20 m hoch, mit Elfenbein, inkl. Holz und Zinkkiste, frei Kahn Hamburg Mk. 330,— Kosten“.
– Antwort der Hamburger Exportfirma:
„Zurückkommend auf Ihre gefl. Offerte vom 5. d. M. sind die in der Preisliste offerierten Pianos zu teuer. Falls Sie billigere Instrumente herstellen, erbitten wir gefl. Beschreibung derselben und alleräußerste Offerte“.
– Bogs & Voigt antwortete, um zu sehen, wie weit die Anforderungen dieser Firma gehen würde:
„Im Besitz Ihrer w. gestrigen Karte sind wir gern bereit, Ihnen billigere Pianos, wie in unserer Preisliste angegeben, herzustellen und bitten Sie um die Liebenswürdigkeit, uns zu sagen, wie dieselben ausgestattet sein sollen und welches Limit Sie uns machen können.“
– Die Exportfirma erwiderte:
„Antwortlich Ihrer gefl. Mitteilung … handelt es sich für unseren Bedarf um möglichst billige Pianos, Nußbaum 130 cm hoch, 7 Oktaven, 3chörig, kreuzsaitig, Elfenbeinklaviatur, vollen Eisenrahmen, tropensicher gebaut, mit Doppelleuchtern. Wir haben derartige Pianos gesehen, deren Kastenarbeit natürlich entsprechend dem Preise einfach gehalten war und die wesentlich unter Mk. 300,— franko kosteten.“
– Bogs & Voigt antwortete:
„Rechnen wir die Auslagen für Holz- und Zinkkiste nebst Kahnfracht und Versicherung bis Hamburg mit Mk. 25,—, die heutige Differenz zwischen mittlerem Elfenbein und Zelluloid mit Mk. 20,— , den Mehrpreis für Doppelleuchter mit Mk. 3,—, tropensichere Ausstattung in einfachster Ausführung mit Mk. 35,—, so würden dem Fabrikanten für dieses 130 cm hohe Piano annähernd Mk. 200,— verbleiben. Nach Lage der Sache haben wir den Herren mitgeteilt, daß wir auf derartige Geschäfte verzichten müßten, wollten wir uns nicht jene Geschäftspraxis des bekannten Besenbinders zu eigen machen, der leistungsfähiger als sein Konkurrent war, weil er nicht nur die Besenreiser, sondern die fertigen Besen stahl“.

Bogs & Voigt

„Von Okt. 1907 und März 1909 bis Nov. 1909 wurde die Monatsproduktion von 221 über 251 auf 310 Pianinos gesteigert, die höchste Jahresproduktion wurde 1913 mit über 4.500 Pianinos erreicht, die Firma, die 350 Arbeiter beschäftigt, war damit die größte Pianinofabrik Berlins“. (Henkel).

Bogs & Voigt

Probleme damaliger Zeit: Ausstehende Beträge mussten einklagen werden – ohne Aussicht auf Erfolg. „Die offene Handelsgesellschaft Bogs & Voigt, Pianofabrik in Berlin, Warschauerstr. 70, klagt gegen den Reisenden C. John, bisher Berlin … jetzt unbekannten Aufenthalts, wegen Geldforderungen aus dem Anstellungsverhältnis zur Klägerin, mit dem Antrag, den Beklagten zur Zahlung von 745,00 Mk. an Klägerin zu verurteilen. … Herrmann II., Gerichtsschreiber des Kaufmannsgericht zu Berlin. Kammer III“.

Fünf Jahre nach der Gründung erhielt die Firma den Hoflieferanten-Titel vom Spanischen König.
Einen Disput gab es 1910 zwischen dem Verband Deutscher Klavierhändler und den Herren Bogs & Voigt. Über die Auslegung des Begriffes „Pianohändler“ war man sich nicht einig.
Paul Bogs: „Ich hatte für unsere Firma erklärt, ein Pianohändler sei ein selbständiger Fachmann, der stimmt, repariert und Pianos verkauft, zu diesem Zwecke ein Lager von Instrumenten unterhält, sich beim Verkauf keiner unlauteren Verkaufsprinzipien bedient, auch zu solchen Preisen verkauft, die ihm unserer Ansicht nach einen angemessenen Nutzen lassen. Unerheblich sei für uns, ob sich dieses Lager in zum Verkauf hergerichteten Teilen der Wohnung oder in einem Laden befände.“
Herr Koch: „… ein solcher Fachmann ohne Laden sei kein Pianohändler“. Ein Disput ohne sichtbarem Ergebnis.Bogs & Voigt

Einen zweiten – und letzten – Hoflieferanten-Titel erhielt 1911 die Firma vom Kaiser Franz Joseph verliehen.
1914 wurde die Gesellschaft aufgelöst und Paul Bogs wurde alleiniger Inhaber.

Nicht alle Pianofabrikanten waren „bodenständig“. Bogs & Voigt zog von der Boxhagener Straße in die Warschauer Straße. 1919 nach O 34, Romintener Str. 24, 1924 in die Hauptfabrik Große Frankfurter Straße und letzter Umzug erfolgte 1930 in die Krautstraße (im Hause der Firma Görs & Kallmann).

Dem Vorbericht über die Musikinstrumenten-Industrie der Leipziger Herbstmesse 1924, indem Bogs & Voigt zum ersten Male ausstellte, ist zu entnehmen:
„Die Firma bringt eine Anzahl aparte Modelle, die Zeugnis davon ablegen sollen, dass es trotz der starren Pianoform Mittel und Wege gibt, das B. & V.- Klavier auch schon rein äußerlich aus der Masse herauszuheben. Bewusst hat man sich von den fast zur Tradition gewordenen Zieraten freigemacht, und was Künstlerhand hier schuf, dient dem vorbildlichen Innenbau als Rahmen. Was aber gerade in der heutigen Zeit besonders ins Gewicht fällt, ist, daß es der Firma dank der rationellen Ausnutzung aller Fabrikationsmittel möglich ist, sich mit ihren Preisforderungen in den Grenzen zu halten, welche die Geldknappheit gegenwärtig der Kaufkraft der Händlerkundschaft zieht“.

1924, nachdem der Betrieb wesentlich erweitert wurde, erhielten Interessenten einen neuen Katalog:
„… Vor uns liegt ein neuer, prächtig ausgestatteter Katalog in eigenartiger Aufmachung. Es ist eine Mappe aus starkem, weißem Karton, deren Titelseite in Schwarz und Gold die Fabrikmarke, (bestehend aus dem charakteristischen Schnabel eines Wikinger Schiffes mit dem Wort „Lloyd“) und darunter den Firmennamen aufweist. Sie enthält 12 lose Kunstdruckblätter, auf denen in prächtigen Autotypien 11 Pianinomodelle (sämtlich 1,32 m hoch) in stilvollen, künstlerischen Entwürfen sowie die Innenansicht eines Pianos vorgeführt werden. Jedes Blatt trägt in Form einer Kopfleiste den Namen und das Domizil der Firma mit dem österreichischen und spanischen Hoflieferanten-Wappen, während der knappgehaltene, erläuternde Text unter dem Bilde viersprachig (deutsch, englisch, italienisch, spanisch) abgefasst ist. Ganz besondere Beachtung verdienen die drei neuesten Modelle 66 – 68, die von der Firma Bogs & Voigt anläßlich der Leipziger Herbstmesse erstmalig der Öffentlichkeit gezeigt wurden und großen Anklang fanden. Die Schönheit dieser hochglanzpolierten Ausführungen kommt in der Druckwiedergabe nicht voll zur Geltung, doch stehen für etwaige Interessenten zur Ergänzung des Eindrucks, den sie aus den auf Wunsch gerne zugestellten Abbildungen gewinnen können, in der Hauptfabrik der Firma jederzeit fertige Instrumente zur Ansicht. – Auf gleicher Höhe wie der Katalog stehen die beigefügten Werbedrucksachen in ihrer äußerst wirkungsvollen künstlerischen Ausführung …“.

Bogs & Voigt

Eine Messe-Mitteilung aus dem Jahre 1925:
„Die Hofpianofabrik Bogs & Voigt, … tritt wieder im Meßmusikhaus Konservatorium mit Neuheiten auf den Plan, was den Eingeweihten keineswegs überraschen wird. Gehört es doch zu den altbekannten Grundsätzen dieser Fabrik, sich durch Modelle, die aus dem Rahmen des Alltäglichen fallen, ohne deshalb aufdringlich zu wirken, stets einen der ersten Plätze im Rennen zu sichern. Wie die Musterschau vom Herbst 1924 noch jedem ihrer Besucher als eine Musterleistung im Gedächtnis sein wird, so wird auch bei der kommenden Messe das Konservatoriums einen Hauptanziehungspunkt für die Leipzig besuchende Händlerschaft bilden. Es gelangen Instrumente aller Holzarten zur Ausstellung, und auch in der Auswahl der vorgeführten Modelle waltet größte Sorgfalt, um jeder Geschmacksrichtung Rechnung zu tragen, soweit die Beschränkung des Raumes es zuläßt. — Aber auch demjenigen ernsten Kauflustigen, der die Reise nach Leipzig scheut, verschafft die Firma Bogs & Voigt auf Anfordern gern die Möglichkeit, auf eine ganz neuartige und dennoch verblüffend einfache Art und Weise ihre sämtlichen Modelle plastisch greifbar vor sich erstehen zu lassen. Mit Hilfe eines besonderen Betrachters (Stereoskops) werden alle Feinheiten der Ausführung in nicht zu übertreffender Klarheit gezeigt und der bisher übliche Katalog um sein traditionelles Recht gebracht“.

Bogs & Voigt

Sehr tapfere Männer waren bei Bogs & Voigt beschäftigt. So auch der Prokurist, Herr Sievers, er „wurde durch die Verleihung des Rettungsmedaille am Bande durch das Preußische Staatsministerium ausgezeichnet“. Eine Rettungsmedaille am Band wurde 1833 von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen gestiftet.

Doch was wären die Pianofabrikanten ohne ein Fräulein im Kontor? Wobei der Begriff Fräulein mit keiner Altersbestimmung in Zusammenhang zu bringen ist. In der Firma gab es ein erwähnens- und lobenswertes Fräulein:
„Am 13. März (1932) waren es 25 Jahre, seitdem die Prokuristin Frl. Gertrud Möhlis als Kontorhilfskraft zu Bogs & Voigt kam. Sie hatte wohl, als sie 1907 ihre Tätigkeit aufnahm, nicht geahnt, welchen glänzenden Aufstieg sie hier nehmen sollte. Was hat sie aber auch für einen strengen Lehrmeister gehabt? Jeder, der den noch heute auf festem Fundament stehenden Herrn Paul Bogs kennt, wird es zu würdigen wissen, was es heißt, 25 Jahre mit ihm in engster Zusammenarbeit verbunden zu sein.
Wie ein Veilchen im Verborgenen, so hat sich Frl. Möhlis während der 25 Jahre als ein Talent entwickelt, wie es wohl in unserer Industrie kaum ein zweites gibt. Ein Muster von Korrektheit, auf jedem Gebiete und in allen ihren Arbeiten, gleich viel welcher Art, hatte sie stets und auch noch heute die rechte Hand. Fehler gibt es bei der Jubilarin nicht, davon kann der Schreiber dieser Zeilen von seiner gemeinsamen Tätigkeit bei der Firma Bogs & Voigt ein Lied singen. Er hatte während des jeweiligen Urlaubs von Frl. Möhlis deren Vertretung; aber zu seinem größten Leidwesen war es ihm nicht beschieden, ihr irgend einen Fehler bei ihrer Rückkehr nachzuweisen, dafür fand sie aber bei mir um so mehr, was bei einem Reiseonkel ja nicht verwunderlich ist, und Frl. Möhlis repräsentiert den Punkt auf dem i in höchsteigener Person.
So beglückwünsche ich dann nun Frl. Möhlis zu ihrem Ehrentage, und damit soll auch die verehrl. Kundschaft wissen, wer mit den Hauptanteil an dem so reibungslosen Geschäftsverkehr mit der Firma Bogs & Voigt hat. „Pünktlichkeit und Korrektheit“, dieser Sinnspruch des Hauses gilt ihr heute noch als höchstes Gut… Also liebe Jubilarin, auf in das 26. Arbeitsjahr!“
– Übrigens: 1937 feierte die Prokuristin Gertrud Moehlis ihr 30-jähriges Jubiläum.

Bogs & Voigt

Das 30-jährigen Bestehen der Firma wurde 1935 nur nebenbei erwähnt.
Paul Bogs wurde 1937 „Inhaber der Firma Steinberg & Co., Flügel- und Pianofabrik, Berlin O 34, Frankfurter Allee 12“.
1940 stellte Bogs & Voigt die Fabrikation völlig ein.

Ein Jahr später, am „3. Juli begeht der im gesamten Klavierfach wohlbekannte und geachtete Herr Paul Bogs seinen 70. Geburtstag, den er in bester Gesundheit verbringen kann. Als erfolgreicher Kaufmann wie als Vorkämpfer für das Wohl der Branche, hat er sich bedeutende Verdienste erworben. Seit anderthalb Jahren hat Herr Bogs sich vom Geschäft zurückgezogen und lebt in wohlverdienter Ruhe; allerdings ist sein Interesse für sein altes Berufsfach nach wie vor sehr groß“. Er war Mitglied im Vorstand des Verbandes Deutscher Pianofabrikanten und im Vorstand des ehemaligen Arbeitgeberverbandes der Berliner Musikinstrumentenindustrie.
1942 erlosch die Firma.
Paul Bogs, „seine ehemalige Fabrik in der Krautstraße wurde im Krieg vollständig zerstört und 1945 sein beträchtliches Vermögen blockiert, seine Villa 1947 enteignet. Gegen Ende des Jahres 1948 stürzte er auf einer Bahnhofstreppe und starb am folgenden Tage“ (Henkel).

Nachtrag:
Zu dem Gesellschafter und Instrumentenmacher Adolf Ernst Voigt:
„Zu den ältesten und bewährtesten Berufsgenossen seines Fachs zählt der bekannte Klavierfachmann Adolf Ernst Voigt. Er wird am 13. Juli (1942) 70 Jahre alt. Den Klaviermacherberuf erlernte er in den Jahren 1886 bis 1890, von 1897 bis 1905 war er Geschäftsführer der Firma Ad. Lehmann & Co., gründete dann mit dem ebenfalls wohlbekannten Herrn Paul Bogs im Jahre 1905 die später sehr bekannt gewordenen Fabrik Bogs 8t Voigt. 1913 trat Herr Voigt aus der Firma Bogs 8t Voigt aus und unternahm zur Erweiterung seines fachlichen Wissens Reisen in das Ausland. Der Weltkrieg überraschte ihn in Amerika; erst 1919 konnte er wieder in seine Heimat zurückgehen. Die alte Firma Matz & Co. wurde übernommen und die Klaviererzeugung mit Tatkraft und Erfolg erneut begonnen. Trotz aller Krisenjahre hat sich Herr Voigt als Klaviererzeuger bis in die letzte Zeit hinein behauptet; er leitet noch heute trotz seines Alters die Firma Ad. Ernst Voigt G. m. b. H., in der er hoffentlich noch viele Jahre weiterhin für die Weltgeltung des deutschen Klaviergewerbes wirken und schaffen kann“.

veröffentlicht im Europiano 2009/1